Das polizeiliche Auskunftsersuchen – wenn die Polizei Hilfe braucht

Viele Spiele-Betreiber kennen das Problem: Die meisten Spiele haben mittlerweile eine Nutzergemeinde, die sich in Foren oder auch ingame miteinander austauschen kann. Und wenn Menschen mehr oder weniger anonym miteinander kommunizieren, kommt es auch hin und wieder zu Straftraten. Meistens handelt es sich dabei um Beleidigungen, Verleumdungen oder gar Bedrohungen. Bei Spielen mit einem virtuellen Währungs- bzw. Wirtschaftssystem gehören auch Vermögensdelikte zum Alltag: selbst wenn es gegen die Nutzungsbedingungen vieler Anbieter verstößt, bieten Nutzer virtuelle Güter oder Währungen gegen Echt-Geld an und werden dabei nicht selten Opfer von Betrugsfällen.

Da Täter und Opfer oft bei dem Spiele-Betreiber registriert sind, geht kurz darauf bei dem Spiele-Betreiber ein Fax mit der Überschrift „Polizeiliches Auskunftsersuchen“ ein. Dort bittet die Polizei – manchmal freundlich, oft auch fordernd – um die Auskunft zu personenbezogenen Daten eines registrierten Nutzers. Als Rechtsgrundlage werden in der Regel die Normen §§ 160 ff StPO, §§ 14, 15 TMG oder gar § 113 TKG genannt. Bei dem Spiele-Betreiber stellen sich dann stets die Fragen: sind wir zur Auskunft verpflichtet? Was sind die Konsequenzen, wenn das polizeiliche Auskunftsersuchen ignoriert wird?

Rechtliche Grundlage: Datenherausgabe ist zunächst freiwillig               

Sobald die Strafverfolgungsbehörden Kenntnis von dem Verdacht einer Straftat haben, sind sie gemäß §§ 160 ff StPO zur Sachverhaltserforschung verpflichtet und für diesen Zweck befugt, von „Behörden Auskunft zu verlangen sowie Ermittlungen jedweder Art selbst vorzunehmen“. Ein Auskunftsersuchen an ein privates Unternehmen ist ohne Zweifel eine solche Ermittlungsmaßnahme. Allerdings werden private Unternehmen – anders als Behörden, von denen eine Datenauskunft verlangt werden kann – von §§ 160 ff StPO nicht erwähnt. Mit anderen Worten: §§ 160 ff StPO sind zwar Befugnisnormen der Strafverfolgungsbehörden, begründen aber keine Mitwirkungspflicht für private Unternehmen.

Spiele-Betreiber werden auch nicht durch § 113 TKG verpflichtet. Nach § 113 TKG müssen Erbringer von Telekommunikationsdiensten und daran Mitwirkende Auskünfte über bestimmte Daten an zuständige Stellen zu erteilen. Spiele-Betreiber gehören jedoch in der Regel nicht zum genannten Adressatenkreis, da sie weder Telekommunikationsdienste erbringen noch daran mitwirken. Bei Telekommunikationsdiensten liegt die Hauptleistung in der Übertragung von Signalen und Daten über Telekommunikationsnetze und ist somit auf den reinen Transport von Inhalten beschränkt, während der eigentliche Inhalt der übertragenen Daten für den Erbringer von Telekommunikationsdiensten irrelevant ist. Bei Spiele-Betreibern besteht jedoch die Hauptleistung in der Aufbereitung und Erbringung von Inhalten, nämlich des Spiels. Telekommunikationsdienste sind für den Spiele-Betreiber daher nur Mittel zum Zweck. Die Hauptleistung des Spiele-Betreibers liegt in der Erbringung eines Telemediums, so dass die Normen des TMG (und nicht die des TKG) für den Spiele-Betreiber einschlägig sind.

Folglich kommt nur noch eine Verpflichtung des Spiele-Betreibers zu einer Datenauskunft gemäß §§ 14 Abs.2, 15 Abs. 5 TMG in Betracht. Danach darf der Diensteanbieter eines Telemediums auf Anordnung einer zuständigen Stelle Auskunft über Daten erteilen, soweit dies für die Zwecke der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr erforderlich ist. Allerdings zeigt bereits das Wörtchen „darf“, dass auch hierdurch keine Verpflichtung für den Spiele-Betreiber begründet wird. Der Spiele-Betreiber wird hiernach nur zur Datenauskunft berechtigt, aber nicht verpflichtet. Eine solche gesetzliche Berechtigung ist auch erforderlich, da gemäß § 4 Abs.1 BDSG jede Verarbeitung von personenbezogenen Daten – und somit auch die Auskunft über solche – einer gesetzlichen Rechtfertigung bedarf, solange die Verarbeitung ohne Einwilligung des Betroffenen erfolgt. Da der Betroffene in diesem Fall ein Tatverdächtigter ist, kann eine Rechtfertigung durch eine Einwilligung ausgeschlossen werden.

Die Datenauskunft durch den Spiele-Betreiber aufgrund eines Auskunftsersuchens der Strafverfolgungsbehörden erfolgt also freiwillig. Gleichzeitig kann der Spiele-Betreiber diese Entscheidung natürlich nicht willkürlich treffen. Denn eine Datenauskunft ist nur zulässig, soweit dies zur Strafverfolgung oder zur Gefahrenabwehr erforderlich ist. Vor der Auskunft ist der Spiele-Betreiber daher zur Erforderlichkeitsprüfung und Interessenabwägung verpflichtet. Was dabei zu berücksichtigen ist, wird im Fazit bzw. der Empfehlung aufgeführt.

Exkurs: Dynamische IP-Adressen

Auch wenn das TKG für Spiele-Betreiber nicht direkt einschlägig ist, fragen sich viele Betreiber, ob nicht für die Auskunftserteilung über dynamische IP-Adressen ein richterlicher Beschluss erforderlich ist. Denn eine dynamische IP-Adresse kann sowohl ein Verkehrsdatum i.S.d. TKG als auch ein Nutzungsdatum i.S.d TMG sein. Bei der Auskunft eines Verkehrsdatums ist gemäß §§ 100g, 100b StPO ein richterlicher Beschluss erforderlich, da die IP-Adresse als „näherer Umstand der Telekommunikation“ durch das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) geschützt wird. Fraglich ist daher, ob eine dynamische IP-Adresse, die während der Nutzung eines Telemediums erhoben und gespeichert wird, anders zu behandeln ist.

Mit Beschluss vom 13.11.2010 (Az. 2 BvR 1124/10) hat das BVerfG eine Verfassungsbeschwerde eines Betreibers von „Online-Banking“ für Banken als unzulässig zurückgewiesen, da dieser nicht substantiiert darlegen konnte, zu welchem Zeitpunkt die IP-Adresse erhoben wurde. Gemäß dem BVerfG schütze Art. 10 GG nur den Telekommunikationsübertragungsvorgang, da dort die Gefahr eines fremden Zugriff bestehe. Sobald die übertragenen Daten bei dem Empfänger angekommen sind, sei der besondere Schutz durch Art. 10 GG nicht mehr erforderlich. Nicht so entscheidend sei die Zuordnung der Leistungen des Diensteanbieters unter das TMG oder dem TKG, sondern vielmehr die Frage, wann die IP-Adresse erhoben wurde. Das BVerfG konnte nicht ausschließen, dass der Online-Banker Telekommunikationsdienste Dritter nutzte und die IP-Adresse somit nach dem Übertragungsvorgang erhob und speicherte, und lehnte die Annahme der Verfassungsbeschwerde daher ab. Bei einem Spiele-Betreiber ist davon auszugehen, dass die IP-Adresse nach dem Übertragungsvorgang erhoben wird. Denn der Spiele-Betreiber erhält die IP-Adresse erst, nachdem die Internetverbindung aufgebaut und der Übertragungsvorgang somit im Hinblick auf die IP-Adresse abgeschlossen ist. Daher kann die Auskunftserteilung durch §§ 14, 15 TMG gerechtfertigt sein und somit ohne richterlichen Beschluss erfolgen.

Mögliche Konsequenzen einer Verweigerung

Erwägt der Spiele-Betreiber nun, die Datenauskunft zu verweigern, sollte er folgende mögliche Konsequenzen berücksichtigen:

Gemäß § 161a StPO kann die Staatsanwaltschaft den Geschäftsführer oder einen einzelnen Mitarbeiter als Zeugen vernehmen, die zur Auskunftserteilung nach besten Gewissen und Wissen verpflichtet sind, es sei denn, es bestehen Zeugnisverweigerungsrechte zu ihren Gunsten. Bei einer Ladung durch die Polizei ist eine Aussage freiwillig. Jedoch erfolgt die Datenverarbeitung innerhalb eines Unternehmens in den meisten Fällen nicht durch einen einzelnen Mitarbeiter, sondern durch ein ganzes Team. Ein einzelner Mitarbeiter oder gar der Geschäftsführer wird daher kaum in der Lage sein, eine eindeutige Auskunft über den Nutzer XY zu erteilen. Das bedeutet wiederum, dass die Zeugenvernehmung eines einzelnen Mitarbeiters oder gar des Geschäftsführers nicht zu der gewünschten Datenauskunft führen wird.

Darüber hinaus kann es zu einer Beschlagnahme der Daten gemäß §§ 94, 95 StPO kommen – wegen des damit verbundenen Aufwandes das Worst-Case-Szenario für einen Spiele-Betreiber. In der Praxis werden allerdings nicht die Server, sondern lediglich die Daten beschlagnahmt. Dabei „spiegeln“ die Strafverfolgungsbehörden die Daten auf eigene Datenträger und belassen die Server selbst beim Spiele-Betreiber. Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist die „Spiegelung“ gegenüber der Beschlagnahme der Server vorzuziehen, da der Spiele-Betreiber nur so in der Lage bleibt, das Spiel aufrecht zu erhalten, und damit weniger in seinem Geschäftsbetrieb beeinträchtigt wird. Bereits 2005 hat das Bundesverfassungsgericht (Az.: 2 BvR 1027/02 vom 12.4.2005) entschieden, dass auch die Daten selbst – und nicht zwingend die Server bzw. die Datenträger, auf denen die Daten gespeichert sind – Gegenstand einer Beschlagnahme sein können. Aus prozessualer Sicht ist weiterhin zu beachten, dass eine Beschlagnahme mit richterlicher Anordnung und nur bei Gefahr im Verzug auf Anordnung der Staatsanwaltschaft möglich ist.

Jedoch besteht ein weiteres praktisches Problem für die Strafverfolgungsbehörden: Die wenigsten Spiele-Betreiber hosten ihre Daten ausschließlich in Deutschland. Vielmehr befinden sich die Daten entweder in einer Cloud oder werden auf sonstige Weise auf internationale Server verteilt. Die Hoheitsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden enden jedoch an den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland. Beabsichtigen sie die Beschlagnahme von Daten, die außerhalb von Deutschland gespeichert werden, so müssen sie den aufwändigen Weg der internationalen Rechtshilfe einschreiten.

Fazit/Empfehlung

Ein Spiele-Betreiber ist also nicht verpflichtet, auf ein Auskunftsersuchen zu reagieren. Sollte der Spiele-Betreiber sich jedoch zur Erteilung einer Auskunft entscheiden, um die vorgenannten Konsequenzen zu vermeiden, sollte die Auskunft auf das erforderliche Minimum begrenzt werden. Dabei sollten folgende Punkte berücksichtigen werden:

  • Die Auskunft sollte nur aufgrund eines bereits eingeleiteten Ermittlungsverfahrens mit entsprechendem Aktenzeichen erteilt werden.
  • Daten sollten nicht pauschal herausgegeben werden, sondern nur, wenn sie verfahrensrelevant sind und sich konkret auf einen Beschuldigten und Sachverhalt beziehen. Kann der Spiele-Betreiber anhand des Auskunftsersuchens nicht eindeutig einen Nutzer als Beschuldigten feststellen, sollte die Datenauskunft verweigert werden.
  • Die Datenauskunft zu präventiven Zwecken sollte nur in Ausnahmefällen erfolgen. Zwar ist die Datenauskunft gemäß §§ 14, 15 TMG auch zur Gefahrenabwehr erlaubt, jedoch sollte diese nur auf die dort genannten besonderen Ausnahmesituationen (z.B. „zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder“, „zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus oder zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum“) beschränkt werden. Auch bei „Gefahr im Verzug“ sollte eine Datenauskunft nur geschehen, wenn eine Straftat von erheblicher Bedeutung verwirklicht werden könnte. Die Gefahr der Verwirklichung von Bagatelldelikten kann für eine Datenauskunft zu präventiven Zwecken nicht ausreichend sein.

Ein Gastbeitrag von RAin Thao Wagner, Legal Counsel bei Electronic Arts GmbH.


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Kommentare

4 Antworten zu „Das polizeiliche Auskunftsersuchen – wenn die Polizei Hilfe braucht“

  1. Avatar von Jens
    Jens

    Die Frage, die sich mir jetzt aufdrängt: Warum sollte der Spielebetreiber die Zusammenarbeit mit der Polizei verweigern wollen? Hat er ein Interesse daran, dass Straftaten nicht aufgeklärt werden? Oder glaubt er etwa, in einem Unrechtsstaat zu leben, in dem die Polizei nur vorgibt, Straftaten aufzuklären? Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich…

  2. Avatar von Felix Hilgert

    Da fallen mir mehrere Gründe ein, die teilweise in dem Post ja auch erklärt werden.

    Zum Einen verursacht die Herausgabe von Daten Aufwand, der schon in einem Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen muss.

    Viel wichtiger dürften aber die datenschutzrechtlichen Aspekte sein. Solange der Betreiber nicht rechtlich zur Herausgabe gezwungen ist, ist es seine Entscheidung und Verantwortung, ob Daten herausgegeben werden – mit der Folge dass bei einer Fehlentscheidung auch der Betreiber ggf. Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen der betroffenen Spieler ausgesetzt ist.

    Wir würden jedenfalls keinem der uns bekannten Spielebetreiber (und das sind ziemlich viele) ein Interesse an der Verhinderung von Straftataufklärung oder eine „Unrechtsstaat“-Paranoia unterstellen. Beides liegt der ganzen Branche mE fern.

  3. Avatar von Pater Rolf Hermann Lingen
    Pater Rolf Hermann Lingen

    Korrektur: „Beleidigungen“ sind keine Straftaten. Cf. StGB § 185: Dort fehlt die gesetzliche Bestimmtheit. Damit ist „Beleidigung“ nicht justiziabel. Jegliche „Beleidigungs-Justiz“ ist somit unheilbar ein Willkürakt und v.a. ein Verbrechen.

  4. Avatar von Felix Hilgert

    Diese Meinung bleibt Ihnen selbstverständlich unbenommen (allein schon wegen Art. 5 GG); anders sehen es allerdings das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91) und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Urt. v. 13.1.2011 − 397/07, 2322/07). Beide Gerichte sehen den Beleidigungstatbestand als hinreichend bestimmt.

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