Nachdem das ULD seine Pressemitteilung mitsamt dem zugehörigen Arbeitspapier veröffentlichte, weht vom Norden her eine kühle Datenschutzbrise durch das gesamte Bundesgebiet, deren Ausläufer sogar das südliche Bayern erreichen.
Reaktionen weiterer Datenschutzbeauftragter
Mittlerweile hat sich der Landesbeauftragte für den Datenschutz in Niedersachen öffentlich der Ansicht des nördlichen Nachbarn angeschlossen Auf seiner Homepage veröffentlichte er „Informationen für Webseitenanbieter mit Sitz in Niedersachen“, in denen er auf die datenschutzrechtlichen Verstöße hinweist, die sich „allein aus der Verwendung eines Facebook Like-It-Buttons“ auf der Anbieterwebseite ergeben können. Gleichzeitig betont der niedersächsische Landesbeauftragte, dass nicht Ziel des Datenschutzes ist, Social PlugIns generell zu verbieten, jedoch appelliert er an die Beachtung des Grundsatzes der Datensparsamkeit und der Verantwortung der Webseitenbetreiber, die für eine Entfernung sprechen.
Ähnliche Töne sind auch aus den von Niedersachen eingeschlossenen Staatstaaten zu vernehmen. So äußerte sich die Datenschutzbeauftragte des Landes Bremen in einem Interview mit Radio Bremen, dass sie sich „wünschen“ würde, „dass Bremen bei sozialen Netzwerk Facebook aussteigt“ oder alternative technische Lösungen gesucht werden, die den Verbleib mit dem Datenschutz konform machen. Konkrete Handlungsanweisungen an die Webseitenbetreiber wurden aber nicht veröffentlicht, vielmehr soll das weitere Vorgehen erst nach einer Analyse mit der Bremer Finanzbehörde erfolgen und anschließend bekannt gegeben werden.
Auch Hamburgs Datenschutzbeauftragter erklärte gegenüber der „Welt“, dass er empfiehlt, von offiziellen Webseiten wie hamburg.de sowie von den Hamburger Senatswebseiten entsprechende Social-Network-PlugIns zu entfernen. „Von den öffentlichen Stellen erwartet man die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften“, so der Datenschutzbeauftragte. Ganz anschließen will sich der Hamburger Datenschutzbeauftragte den Vorreitern aus Schleswig-Holstein, die in jedem Fall einen datenschutzrechtlichen Verstoß in der Funktion solcher Symbole sehen, scheinbar nicht. Die Herausnahme der Buttons soll erst einmal so lange andauern, wie die datenschutzrechtliche Konstellation nicht geklärt ist. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist ein entsprechendes Facebook,und Twitter-PlugIn auf der Homepage des offiziellen hamburg.de Portals weiterhin vorhanden.
Auch Abseits des kühlen Nordens schließen sich weitere Landesdatenschutzbeauftragte einer Entfernung von entsprechenden Fanpages staatlicher Stellen auf Facebook sowie der Like-It-Buttons, an. Bereits kurz nach der Bekanntgabe der Ergebnisse des ULD veröffentlichte der Landesdatenschutzbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz eine Pressemitteilung, in der er sich der Ansicht des ULD anschließt, wonach bestimmte Funktionen von Facebook gegen geltendes Datenschutzrecht nach dem TMG und dem Bundesdatenschutzgesetz verstoßen. Zwar stellte der Datenschutzbeauftragte in einer Untersuchung fest, dass nur wenige öffentliche Stellen des Landes Rheinland-Pfalz tatsächlich eine Fanpage bei Facebook betreiben oder Social-PlugIns wie den „Gefällt mir-Button“ auf ihren Webseiten einsetzen, jedoch wird er dennoch mit den Webseitenbetreibern in Kontakt treten, um die Internetauftritte „datenschutzkonform“ zu gestalten. In Rheinland-Pfalz beschränkt sich die Debatte nicht allein auf das eigentlich zuständige Datenschutzressort. So hatte nahezu parallel auch der rheinland-pfälzische Justiz- und Verbraucherminister eingelenkt und den Bund aufgefordert, den Datenschutz in sozialen Netzwerken zu verbessern. „Eine Stärkung des Datenschutzes und der Privatsphäre von Nutzerinnen und Nutzern sozialer Netzwerke im Internet ist dringend notwendig. Es ist zwar richtig, dass zum Beispiel ein Unternehmen wie Facebook seinen Sitz in Irland hat, aber deswegen lediglich darauf zu verweisen, man habe keine rechtliche Handhabe und hoffe auf eine europäische Regelung scheint mir doch zu kurz gefasst. Selbstverständlich ist die Bundesregierung in der Bringschuld bei dieser Frage“, so der Minister.
Einem aktuellen Beitrag des Fachmagazin Werben und Verkaufen (w&v Nr. 34/2011, S. 8 ) zur Folge, soll auch der Datenschutzbeauftragte Mecklenburg-Vorpommerns in die Debatte eingelenkt haben und sich ebenfalls für die Herangehensweise des ULD ausgesprochen haben. Das Magazin führt indes auch an, dass die verbleibenden Bundesländer, wie Brandenburg, Baden Württemberg und Nordrhein-Westfalen das Thema für „relevant“ halten, vorerst aber noch die Ergebnisse des ULD überprüfen möchten. Entsprechende offizielle Mitteilungen sind den Webseiten der jeweiligen Landesdatenschutzbeauftragten allerdings nicht zu entnehmen.
Im gleichen Zuge soll auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar gegenüber w&r geäußert haben, dass er den Vorstoß des ULD begrüße und Folgen der Erkenntnisse für das eigene Zuständigkeitsgebiet prüfe.
Eine zurückhaltende Stimmung ist indes aus dem Freistaat Bayern zu vernehmen. Aus einem Interview des Präsidenten des bayrischen Landesamts für Datenschutzaufsicht Thomas Kranig mit internetworld.de geht hervor, dass die bayrischen Webanbieter vorerst keine Sanktionen für das beibehalten eines Like-It-Buttons auf ihren Portalen fürchten müssen. „Wir vom Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht halten an dem Vorgehen fest, mit den anderen Aufsichtsbehörden Argumente auszutauschen und zu versuchen, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. (…) Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass wir den Gefällt-mir-Button für rechtswidrig halten, bedeutet das für uns auch, dass wir etwas dagegen unternehmen.“
Die übrigen Bundesländer enthalten sich bislang der Debatte. Die Ende September angesetzte Datenschutzkonferenz bleibt folglich abzuwarten.
Rechtliche Debatte
Die durch das Arbeitspapier des ULD vorgenommene Bewertung der Rechtswidrigkeit des Like-It-Buttons sieht sich seither auch rechtlicher Kritik gegenüber. Kollege Härting nahm die Stellungnahme des ULD zum Anlass, die Vorgehensweise und rechtliche Bewertung des ULD zu würdigen. Härting kommt zu dem Schluss, dass einerseits schon die Ergebnisse des Arbeitspapiers Grund zum Zweifeln geben, da sie sich der rechtlich umstrittenen Debatte um die „Personenbezogenheit der „IP-Adresse“ gänzlich entziehen. Ob durch die Übermittlung der IP-Adresse tatsächlich personenbezogene Daten bezogen werden und Rückschlüsse auf den Anwender erlauben, sei aber eine zentrale Frage bei der Überprüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Like-It-Buttons. Andererseits geht Härting auch mit der Art und Weise, wie das ULD mit den Ergebnissen und der Konsequenzen an die Öffentlichkeit getreten ist, streng ins Gericht und wertet die öffentliche Aufforderung an die Unternehmen den Like-It-Button zu entfernen als ungerechtfertigten Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG und damit als verfassungswidrig. Auch prangert Härting, ebenso wie der Kieler Kollege Strunk (hoffentlich trifft ihn nicht die „Rache“ des ULD), die vorgenommene Bußgeldandrohung an und verweist das ULD auf § 43 BDSG als richtige Rechtsgrundlage für derartige öffentliche Androhungen. Der hingegen vom ULD verwendete § 16 TMG sei in Schleswig-Holstein gemäß § 38 Abs. 6 Medienstaatsvertrages Hamburg/Schleswig-Holstein (MedienStV) der Landesmedienanstalt vorbehalten. Angeregt durch diese Debatte, hat das ULD mittlerweile eine Stellungnahme veröffentlicht, welche die Zuständigkeitsrüge als „rechtsirrig“ abweist. Danach liege in Schleswig Holstein die Sonderkonstellation vor, dass für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nach § 16 TMG eine geteilte Zuständigkeit bestehe. Soweit es sich um Verstöße handelt, die originär dem Innenministerium zuzuordnen sind, hat das ULD gem. § 45 Abs. 1 LDSG-SH alle „der Datenschutzaufsichtsbehörde im Innenministerium obliegenden Aufgaben“ übernommen, somit auch die vorliegende Konstellation und kann Bußgelder nach § 16 TMG androhen.
Weitere interessante Beiträge, die sich mit der Richtigkeit der datenschutzrechtlichen Bedenken der „Gefällt mir“-Buttons beschäftigen und zu übereinstimmenden Ergebnissen bezüglich einer Verneinung einer pauschalen Unzulässigkeit gelangen, sind u.a. der Beitrag des Mainzer Kollegen S. Schmidt sowie die rechtliche Auseinandersetzung mit dem Thema von Dipl. Jur. Jens Ferner.
Der Rüge einer verfassungsrechtlich bedenklichen Vorgehensweise des ULD durch öffentliche die Aufforderung der Webseitenanbieter zur Entfernung der Like-It-Buttons hält, wie auch von Rechtsanwalt Stadler angeführt, der Interessenverband Digitale Gesellschaft“ provokant gegen. Danach sei, dass das ULD nicht direkt an Facebook herantreten kann, ein „Verschulden der Politik. (…) Das ULD macht nun schlicht seinen Job: es übt indirekt Druck auf Facebook aus“.
Erste Lösungsansätze
Es war nur eine Frage der Zeit, wann auch technische Lösungsansätze der angeblichen datenschutzrechtlichen Like-It-Button-Problematik entgegentreten. So befürwortet Jens Ferner den ZusatzPlugin. Dieser stellt eine zusätzliche Hürde dar, und „aktiviert“ den Facebook-Like-It-Button erst nach dem Klick auf eine entsprechende Einwilligung durch den Anwender. Durch die zusätzliche Einwilligung mache der Nutzer deutlich, dass er der Weiterleitung seiner personenbezogenen Daten zustimme. Eine neuerliche Aufruhr bekommt die Diskussion durch die Idee von heise-online. Das Portal entwickelte eine „2-Klicks für mehr Datenschutz“ Initiative. Danach bietet heise-online, anstelle der üblichen Like-It-Buttons, erstmals nur „deaktivierte“ Buttons an, die für sich genommen nur optische Symbole ohne Verbindung zu den ihnen zugeordneten Servern von Facebook & Co darstellen. Das sich anschließende zweistufige Klicksystem, basiert darauf, dass der Anwender diesen Button durch den ersten Klick aktiviert und damit seine Zustimmung zur Kommunikation und Datenweitergabe des hinter dem Button stehenden Servers, bspw. Facebook gibt, Anschließend kann der Anwender mit einem zweiten Klick seine „Empfehlung“ übermitteln. Die so erfolgte Zustimmung zur Datenübermittlung ist nur für die jeweilige Webseite auf der sich der Nutzer befindet bindend und nur für den angewählten Dienst. Beim Aufruf weiterer heise-online-Webseiten erscheint wieder ein deaktivierter Button. „So kann man die sozialen Netze nutzen, ohne dass diese gleich komplette Surf-Profile erstellen können“, so die Beschreibung der Funktionsweise. Heise-online weist ergänzend darauf hin, dass auch die Möglichkeit einer dauerhaften Einwilligung in die Datenübermittlung zu einem bestimmten Netzwerk besteht. Durch das Setzen eines entsprechenden Häkchens, welches sich unterhalb der Einstellungen (erkennbar an einen Zahlenradsymbol) befindet, kann die Deaktivierung des Like-It-Buttons aufgelöst werden. Der ausgewählte Button ist dann immer direkt aktiv, solange der Anwender die Aktivierung innerhalb der Einstellungen nicht wieder selbst deaktiviert.
Ob die Lösungsansätze tatsächlich eine vermeintliche Vereinbarkeit des Like-It-Buttons mit dem Datenschutz herstellen können und ob dieses überhaupt notwendig ist, bleibt folglich abzuwarten. Fakt ist, dass das 2-Klick-System bei den Verantwortlichen von Facebook zunächst auf negative Resonanz gestoßen ist. Facebook ist zunächst mit einer Beschwerde aufgrund eines angeblichen Verstoßes gegen die Plattform Polices an heise-online herangetreten. Infolgedessen hat heise-online das Design des zuerst anzuklickenden „deaktivierten“ Buttons verändert und diesen optisch vom Original des Facebook-Buttons abgehoben. Dadurch tue dieser nicht mehr, wie von Facebook gerügt, so als sei er einer, ohne tatsächlich einer zu sein.
Und wie reagiert Facebook?
Facebook veröffentlichte am Freitag eine technische Lösung, die es mit dem Browser Chrome ermöglicht, jede beliebige Website zu liken, ohne dass ein „Like-Button“ auf der Website vorgesehen sein muss… Darüber hinaus weiß das Landesblog, dass Facebook eine Einladung des Innen- und Rechtsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtages angenommen hat, um am 7. September gemeinsam mit den Parlamentariern über die aufgeworfenen Datenschutzfragen zu diskutieren.
Was bleibt ist also eine zähe Diskussion…wir bleiben dran!
Herzlichen Dank an unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin Alexandra Heliosch für die Mitarbeit an diesem Beitrag!
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