Die USK und deren Träger, der game – Verband der deutschen Games-Branche haben soeben eine Änderung der Prüfpraxis bei Computerspielen bekannt gegeben, die es in sich hat: Die kategorische Weigerung, Spiele mit verfassungsfeindlichen Symbolen (z.B. Hakenkreuze) zu kennzeichnen, ist Geschichte.Ausdrücklich heißt es in der Pressemitteilung des game e.V.:
Wenn Titel mit Symbolen verfassungswidriger Organisationen bei der USK zur Vergabe eines Alterskennzeichens eingereicht werden, entscheiden ab sofort die USK-Gremien im Einzelfall, ob die sogenannte Sozialadäquanzklausel (§ 86 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) angewendet werden kann. Sozialadäquat bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Symbole verfassungswidriger Organisationen im Einzelfall in einem Titel verwendet werden können, sofern dies der Kunst oder der Wissenschaft, der Darstellung von Vorgängen des Zeitgeschehens oder der Geschichte dient. Bisher wurde diese Prüfung, anders als bei anderen Medien wie dem Film, nicht vorgenommen. Hintergrund der Änderung ist eine veränderte Rechtsauffassung der zuständigen Obersten Landesjugendbehörden auf der Grundlage aktueller rechtlicher Bewertungen.
Die USK stellt darüber hinaus in ihrer Pressemitteilung klar, dass es sich nicht um einen generellen Freibrief handelt, sondern für jedes Spiel im Einzelfall geprüft werde, ob die gesetzliche Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot des § 86a StGB vorliegt.
Rechtlicher Kontext
Diese Entscheidung zur Änderung der Prüfpraxis ist richtig. Zwar hatte das OLG Frankfurt in seiner immer wieder zitierten und zu Recht kritisierten Entscheidung aus dem Jahr 1998 zu dem Spiel Wolfenstein 3D den folgenschweren Satz geschrieben:
Vielmehr gebietet es der Schutzzweck des §86a StGB, dass in Computerspielen keine Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gezeigt werden.
Ein solches kategorisches Verbot der Verwendung dieser Symbole in Computerspielen lässt sich dem Gesetz aber nicht entnehmen, worauf auch wir immer wieder hingewiesen haben. Zwar sind natürlich auch Computerspiele vom Schutzzweck des § 86a StGB erfasst, so dass die Verwendung eines Hakenkreuzes in einem Spiel ohne Weiteres strafbar sein kann. Dient die Verwendung aber einem künstlerischen oder ähnlichen Zweck, greift die Sozialadäquanzklausel, und die Verwendung ist rechtmäßig. Ob diese Voraussetzung vorliegt, muss selbstverständlich im Einzelfall geprüft werden. Das OLG Frankfurt hat diesen Prüfungsschritt im damaligen Fall schlicht versäumt und nichts dazu geschrieben.
Dass auch die Obersten Landesjugendbehörden das (inzwischen) so sehen, kann eigentlich nicht überraschen, hatten sich doch in der jüngeren Zeit in Rechtswissenschaft und Jugendschutzpraxis die kritischen Stimmen gemehrt, die eine Einzelfallprüfung schon lange fordern.
Neu entfacht hatte sich die lange schwelende Debatte an den erheblichen Eingriffen in die deutsche Version des jüngsten Teils der Wolfenstein-Reihe, und an der paradoxen Situation, dass im Rahmen des AMAZE-Festivals in Berlin ein preisgekröntes Spiel über Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus bei der Preisverleihung selbst nicht gezeigt werden konnte.
Unterstützung bekamen die Literaturstimmen dann auch durch Äußerungen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien zur eigenen Spruchpraxis und eine Formulierung der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart im Zusammenhang mit dem Satire-Spiel „Bundesfighter II Turbo“, wonach die Sozialadäquanzklausel auch für Computerspiele gelte und eine entgegengesetzte Ansicht „überholt“ sei.
Diesen im Sinne der Kunstfreiheit begrüßenswerten Trend setzt nun auch die USK fort.
Konsequenzen für die Praxis
Bislang musste Anbietern wegen des Urteils des OLG Frankfurt aus anwaltlicher Sicht geraten werden, auf Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Spielversionen für den deutschen Markt zu verzichten, was regelmäßig auch einen erheblichen Recherche- und Anpassungsaufwand erforderte, beschränkt sich doch der Anwendungsbereich des §86a StGB nicht auf allgemein bekannte Symbole wie Hakenkreuze, sondern erfasst grundsätzlich auch eher obskure Kennzeichen einzelner Unterorganisationen des NS-Staates.
Zwar ist auch mit der Praxisänderung bei der USK das alte Urteil nicht vollständig aus der Welt. Allerdings dürfte das praktische wie auch rechtliche Risiko, dass eine Staatsanwaltschaft oder ein Gericht die Sozialadäquanzklausel fälschlich nicht für anwendbar hält, bei einem nach dem Jugendschutzgesetz – und damit von staatlichen Stellen – altersgekennzeichneten Spiel äußerst gering sein. In jedem Fall müsste dann zugunsten des Anbieters und dessen Mitarbeiter von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum (§ 17 StGB) ausgegangen werden.
Künftig könnte also die unveränderte Einreichung bei der USK der Standardfall werden. Mit einiger Spannung erwarten wir die Begründungen der ersten USK-Jugendentscheide zur Freigabe (oder auch Nicht-Freigabe) von einschlägigen Spielen. Über die sich entwickelnde Spruchpraxis werden wir selbstverständlich hier berichten.
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.