Tattoos in Games – Rechtslage in Deutschland (Teil 2/2)

In Teil 1 dieser Miniserie hatten wir über Rechtsstreitigkeiten in den USA berichtet, in denen Tätowierer wegen der Nutzung ihrer Werke in Computerspielen gegen die jeweiligen Publisher vorgegangen waren. In Deutschland trägt rund jeder Vierte ein Tattoo. Insofern gibt es auch hier ein Potential für ähnliche Fälle. Wie wäre die Lage also nach deutschem Recht zu beurteilen? Der Fokus liegt dabei zum einen auf der Frage, wer ein Urheberrecht an einem Tattoo hat, und zum anderen, ob der Träger des Tattoos sein Erscheinungsbild für die Nutzung in Computerspielen auch unabhängig von einer gesonderten Rechteeinräumung des Tätowierers lizenzieren könnte.

Urheberrechtlicher Schutz von Tattoos

Ein Urheberrecht besteht in Deutschland für persönlich geistige Schöpfungen (§ 2 Abs. 2 UrhG). Bei Tattoos stellt sich also die Frage, welches Werk hiermit genau bezeichnet wird. Denkbar wäre die Anknüpfung auf die Vorlage. Selten dürfte man sich einfach so auf den Tätowierstuhl setzen und die Tätowiererin auffordern „überraschen sie mich“. Vielmehr dürfte die Regel sein, dass sich Tätowierer und Kunde vorher darüber einig werden, wie genau das Motiv aussehen soll. Meist geschieht dies anhand von gezeichneten Entwürfen, die dann später auf die Haut übertragen und dann in die Haut gestochen werden. Wie bei den Fällen in den USA wäre ein Anknüpfungspunkt für ein Urheberrecht also der konkrete Tattoo-Entwurf. Selbst hier kommt es aber auf die genauen Umstände an, ist der Entwurf nur eine detailgetreue Kopie einer Grafik, welche man auf dem Körper verewigt haben möchte, besteht das Urheberrecht schon an einem zeitlich vorgelagerten Werk. Der Tattoo-Entwurf könnte dann eine bloße Kopie eines anderen Werkes – und damit für sich genommen nicht geschützt – sein. Jeder Schutz setzt zudem voraus, dass die Vorlage des Entwurfs selber überhaupt Werkqualität hat, wofür in Deutschland jedoch grundsätzlich sehr niedrige Hürden bestehen (sog. „kleine Münze“).

Die gleiche Frage stellt sich später dann für das vollendete Tattoo. Liegt ein Tattoo-Entwurf vor, bleibt für das tatsächlich gestochene Tattoo die Überlegung, ob es eine Vervielfältigung, Bearbeitung oder freie Bearbeitung des ursprünglichen Werkes ist. Rechtsprechung gibt es hierzu (noch) keine, dabei stellt sich an dieser Stelle eine weitere Weiche. Handelt es sich bei dem Tattoo um eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes (des Tattoo-Entwurfes oder der Vorlage), bleibt das Urheberrecht des ursprünglichen Werkes maßgeblich. Nur mit Einwilligung dessen Urhebers darf die Bearbeitung oder Umgestaltung (also das Tattoo) veröffentlicht oder verwertet werden. Stellt die Tätowierung dagegen eine freie Benutzung dar, hat der Schöpfer des Werkes und somit wohl der Tätowierer das Urheberrecht.

Das Urheberrecht an einem Tattoo ist also an verschiedene Ausgangslagen und Beurteilungen geknüpft. Abschließend geklärt ist dabei nichts, entscheidender dürfte ohnehin die Frage sein, was passiert, wenn der Tätowierte nicht das Urheberrecht an dem Werk „Tätowierung“ hat.

Nutzungsrechte im Tätowiervertrag?

Vertragliche Regelungen und Lizenzbedingungen zur Nutzung wären im Zweifel wünschenswert, dürften in der Praxis jedoch (derzeit) die Ausnahme darstellen. Allerdings erscheint es schwierig, dass Personen aufgrund eines Tattoos nun bezüglich der Verwertung von Fotos des eigenen Körpers bzw. der Wiedergabe in Filmen oder eben in Videospielen eingeschränkt werden sollen.

Mangels ausdrücklich geregelten Nutzungsbedingungen von Tätowierungen ist der ursprüngliche (Tätowier-)Vertrag zudem danach auszulegen, was die Parteien möglicherweise stillschweigend zur Nutzung vereinbart haben. Bleibt hier für eine konkludente Regelung kein Raum, ist im Weg einer ergänzenden Vertragsauslegung darauf abzustellen, was die Parteien – hypothetisch – geregelt hätten, wäre ihnen das Problem bei Abschluss des Tätowiervertrags bekannt gewesen.

Hier ist dann zu berücksichtigen, dass eine Tätowierung eine permanente, sichtbare Veränderung des Erscheinungsbildes ist, und kaum angenommen werden kann, dass der Tätowierte damit zugleich dauerhaft auf die Möglichkeit zur Verwertung dieses Erscheinungsbildes verzichten will. Andererseits gibt es auch Tattoo-Künstler, die ihre Motive auch abseits der Haut ihrer Kunden sehr erfolgreich kommerziell vermarkten (man denke etwa an die „Ed Hardy“-Kollektion aus der Zusammenarbeit von Don Ed Hardy mit Christian Audigier). Um die widerstreitenden Interessen auszugleichen, böte sich – wenn nichts anderes geregelt ist – eine Auslegung des Tätowiervertrages an, wonach eine gesonderte Vermarktung einzelner vom Tätowierer geschaffener Tattoo-Motive einer gesonderten Rechteeinräumung bedarf, eine Vermarktung als Teil des Gesamtbildes einer Person dagegen aus dem Zweck des Vertrages folgt und (nach dem Zweckübertragungsgrundsatz des § 31 Abs. 5 UrhG) keiner ausdrücklichen Regelung bedarf. Dies liegt bei einem so permanenten Eingriff wie einer Tätowierung nahe, gerade bei prominenten Personen, die inzwischen vermehrt in Videospielen zu finden sind oder ihr Erscheinungsbild anderweitig vermarkten. Schwieriger wird es eventuell, wenn der Tätowierte erst viel später berühmt wird, und der Tätowierer also gar nicht damit rechnen musste oder konnte, dass er eventuell stillschweigend ein Verwertungsrecht einräumt.

Es bleibt abzuwarten, ob sich die Rechtsprechung in Deutschland zu dieser Frage positionieren wird, oder ob sich beispielsweise in den Tätowierverträgen ein Marktstandard an Regelungen etabliert.

Nutzung im Spiel ohne eigene Lizenz

Eine Nutzung des Tattoos im Spiel kann aber unter Umständen auch ganz ohne Rechteeinräumung des Tätowierers möglich sein, unter anderem im Rahmen des § 57 UrhG als Beiwerk eines anderen Darstellungsgegenstandes  Der eigentliche Darstellungsgegenstand ist in diesem Fall das Videospiel, Tätowierungen müssten dann ein „unwesentliches“ Beiwerk sein. Die Argumentation in den USA, dass die gegenständlichen Tattoos gerade einmal 0,000286-0,000431 Prozent der Gesamtdatenmenge der Spiele ausmachen, mag ein Indiz sein, der BGH stellt jedoch auf einen anderen Umstand ab.

Das Erfordernis der Unwesentlichkeit fordert demnach einen Gegenstand, der weggelassen oder ausgetauscht werden kann, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffällt oder die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst wird (BGH GRUR 2015, 667 (669 f.) – Möbelkatalog). Hier kommt es wieder auf den Einzelfall an – ein X-beliebiges Tattoo eines Spielers, das in der Regel nicht im Fokus stehen und häufig nur flüchtig und nur teilweise sichtbar sein wird, mag man als Beiwerk sehen. Anders kann es aber bei sehr auffälligen  Tätowierungen sein, insbesondere an dauernd sichtbaren Körperstellen wie etwa im Gesicht.

Ein weiterer Ansatz könnte möglicherweise abermals die Panoramafreiheit sein. Der BGH hat immerhin geurteilt, dass ein Werk auf einem Schiff unter diese Ausnahmevorschrift fällt, da es nicht darauf ankomme ob das Kunstwerk sich bewege, sondern nur, dass es jedenfalls beizeiten von (verschiedenen) öffentlichen Straßen aus bestimmungsgemäß gesehen werden kann (BGH, Urt. v. 27. April 2017,  I ZR 247/15 – AIDA Kussmund). Möglicherweise lässt sich das auch auf sichtbare Tätowierungen übertragen, deren Träger ja ebenfalls nicht den ganzen Tag zuhause sitzen.

Auch in Deutschland ist die Rechtslage also nicht leicht zu beurteilen. Gedanken, die sich bei dem Stechen eines Tattoos allerdings wohl nur die wenigsten machen dürften.


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