Panoramafreiheit in Computerspielen: Rückenwind vom OLG Köln (Teil 2 von 2)

Was die Urheberrechtsschranke der Panoramafreiheit ist und warum sie auch für Computerspiele gelten muss, haben wir in Teil 1 des Beitrags erörtert. Das dort erwähnte Urteil des OLG Köln enthält, obwohl es darin gar nicht um ein Computerspiel geht, eine Passage, die durchaus ebenfalls in diesem Sinne verstanden werden kann.

Möglichkeiten der Panoramafreiheit in Computerspielen

Grundsätzlich spricht sehr vieles dafür, dass Gebäudeansichten im Rahmen der Panoramafreiheit auch in Computerspielen verwendet und eingebunden werden dürfen.

Ein Problem kann sich aber ergeben, wenn die Darstellung des geschützten Bauwerkes im Spiel nicht in der Form erfolgt, dass ein (digitales oder digitalisiertes) Lichtbild eingebunden wird, sondern das Bauwerk künstlich mit Mitteln der Computergraphik oder Computeranimation „neu geschaffen“ wird, wie im Fall des Kölner Doms in Second Life geschehen.

In diesen Fällen ist die Wiedergabe des geschützten Werkes gerade nicht vollständig originalgetreu. Grundsätzlich sind Änderungen des Werkes gemäß § 62 Abs. 1 S. 1 UrhG im Rahmen der Panoramafreiheit nicht zulässig. Eine Ausnahme enthält § 62 Abs. 3, 2. Alt. UrhG nur für Veränderungen, die technisch unvermeidbar sind. Geschützten Bauwerke müssen auch in Computerspielen also nahezu identisch wiedergegeben werden. Soweit eine Veränderung aber unvermeidbar ist, kann die Panoramafreiheit greifen.

Das aktuelle Urteil

Und hier wird nun relevant, was das OLG Köln in seiner eigentlich völlig unspielerischen Entscheidung (OLG Köln, Urteil vom 09.03.2012, Az. 6 U 193/11; Volltext) über die Verwertung von Fotos des in Köln weltbekannten Schriftzugs „Liebe deine Stadt“ ausführt:

Unzulässig als eine durch das Vervielfältigungsverfahren der Fotografie nicht mehr veranlasste Veränderung der sich im Straßenbild bietenden äußeren Ansicht und naturgetreuen Wiedergabe des Werks über das technisch unvermeidliche Maß hinaus ist dagegen sowohl der Einsatz seit langem bekannter Mittel wie Farbfilter und nachträgliche Retuschen als auch die Anwendung moderner Verfahren der digitalen Bildbearbeitung. Denn dem Betrachter wird durch diese Verfahren – anders als bei der Wiedergabe durch Malerei oder Grafik, wo stärkere Veränderungen selbstverständlich sind und vom Publikum auch erwartet werden – ein Abbild der Wirklichkeit vorgespiegelt, das in erheblichem Umfang verfälscht ist

Was auf den ersten Blick nach einer Ablehnung alles Digitalen aussieht, könnte sich bei näherer Betrachtung dagegen als weitere Stütze für eine Anwendung des § 59 UrhG auch auf Computerspiele erweisen. Denn maßgeblich scheint für die Richter neben bestimmten technischen Zwängen gerade auch die Erwartung des Publikums zu sein. Jedenfalls beim gegenwärtigen Stand der Computergrafik wird man ohnehin sagen müssen, dass die entsprechenden Darstellungen naturgetreuer ausfallen als das üblicherweise mit Mitteln der Malerei oder Grafik erreicht werden kann… Und dennoch: Gewisse Abstriche bei der „Fotorealität“ der Spielegrafik erwarten Gamer auch heute noch ohne Frage. Solche Abweichungen sind aber nach der Rechtsprechung aus Köln auch erlaubt.

Grenzen der Panoramafreiheit in Computerspielen

Allerdings erlaubt § 59 UrhG nur die Vervielfältigung der tatsächlich von öffentlichen Straßen aus sichtbaren Teile des Werks, und zwar auch nur die Außenansichten und nicht etwa Innenhöfe oder Treppenhäuser, selbst wenn diese durch offene Türen oder Fenster einsehbar sind. Die Ansicht muss immer einer Perspektive entsprechen, die sich ohne Hilfsmittel (dazu zählen insbesondere auch Leitern!) von öffentlichen Straßen aus bietet.  Da in diesem Zusammenhang bei der herkömmlichen Vervielfältigung keine Hilfsmittel verwendet werden dürfen, muss sich auch die künstliche Schaffung der Computergraphiken auf solche Darstellungen beschränken, die theoretisch von einer öffentlichen Straße aus ohne Weiteres einsehbar wären.

Zweifelhaft ist darüber hinaus auch, ob die erlaubnisfrei verbreitete Außenansicht eines bekannten Gebäudes innerhalb eines Computerspiels mit einer vom Spieledesigner erfundenen Innengestaltung kombiniert werden dürfte. In einem solchen Fall stünden womöglich Ansprüche des Architekten aus § 14 UrhG wegen einer Entstellung seines Werkes im Raum.

Und schließlich darf das Werk nicht verändert werden. Daraus folgt, dass eine Interaktion von Spielfiguren mit der Spielumgebung, die zu einer Veränderung der Darstellung der geschützten Werke führt (z.B. das Besprayen eines Gebäudes mit Graffiti) stets der Erlaubnis des Urhebers bedarf.

Ergebnis

Die urheberrechtliche Panoramafreiheit dürfte auch die digitale Vervielfältigung von Werken im Rahmen von Computerspielen erfassen. Da Computerspiele von der Rechtsprechung als Filmwerke eingeordnet werden, müssen für sie auch insoweit dieselben Regeln gelten. Geringfügige Diskrepanzen zwischen Vorbild under der Nachschaffung im Computerspiel erwartet der Nutzer. Eine über die bloße Vervielfältigung hinausgehende Veränderung der geschützten Bauwerke im Spiel ist ohne die Erlaubnis des Rechteinhabers aber unzulässig.


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