OLG München: Vorbestellung von Spielen künftig nicht mehr möglich?

Wellen der Aufregung in der Spielebranche hat jüngst das OLG München verursacht: In seinem Urteil vom 17.05.2018 (Az. 6 U 3815/17 – Volltext) hat es einem Online-Händler verboten, Vorbestellungen für noch nicht lieferbare Produkte entgegen zu nehmen, ohne einen konkreten Lieferzeitpunkt zu nennen. Daraus haben einige Kommentatoren geschlossen, dass es künftig in Deutschland nicht mehr erlaubt sein soll, Spiele vor dem offiziellen Erscheinungstermin im Rahmen von Vorbestellungen anzubieten. Doch ist das wirklich so?

Was war passiert?

Eine große deutsche Elektronikmarkt-Kette hatte auf ihrer Website ein Mobiltelefon angeboten und während des Bestellvorgangs folgenden Hinweis gegeben:

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Hiergegen war die Verbraucherzentrale NRW vorgegangen: Das Angebot verstoße gegen das Verbraucherschutzrecht, da der Verbraucher bei dieser Formulierung nicht über alle Informationen verfüge, die er zu einer vernünftigen Entscheidung über den Vertragsschluss benötigt. Er verpflichte sich bereits zur Zahlung, wisse aber letztlich nicht wann mit der Lieferung zu rechnen sei.

Schon das LG München (Urt. v. 17. Oktober 2017, Az. 33 O 20488/16 – Volltext) hatte der Verbraucherzentrale recht gegeben. Dieses Urteil hat das OLG München nun bestätigt. Weitere Rechtsmittel will die Beklagte nicht einlegen, so dass die Entscheidung wohl rechtskräftig werden wird.

Rechtlicher Hintergrund

Grundlage des Unterlassungsanspruches der Verbraucherzentrale sind Vorschriften über Informationspflichten bei Verbraucherverträgen im e-Commerce (§ 312d Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EGBGB). Hiernach muss der Unternehmer dem Verbraucher Informationen über u.a. Zahlungs-, Liefer- und Zahlungsbedingungen zur Verfügung zu stellen, sowie Information über den Termin der Lieferung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen seitens des Unternehmers. Erforderlich sind solche Informationen, die die Entscheidung eines durchschnittlichen und vernünftigen Verbrauchers beeinflussen können.

Die Entscheidung

Diesem Erfordernis sei die beklagte Elektronikmarkt-Kette mit ihrem Hinweis nicht nachgekommen, so das OLG München. Der Verbraucher könne anhand des Hinweises den (spätesten) Liefertermin nicht bestimmen, da es offen bleibe, ob der Artikel in Tagen, Wochen oder Monaten verfügbar sein und ausgeliefert werden könne. Zwar habe jeder durchschnittliche Verbraucher eine Vorstellung davon was „bald“ bedeute, ein bestimmbarer Liefertermin sei dies dennoch nicht, zudem sei diese Formulierung aus Sicht des Verbrauchers nicht transparent genug.

In seiner Entscheidung betont das OLG München wie bereits die Vorinstanz, dass im elektronischen Geschäftsverkehr zum Wohle des Verbrauchers in jedem Fall zumindest eine Spanne möglicher Liefertermine angegeben werden müsse und der Hinweis dass jedenfalls derzeit die Ware nicht lieferbar sei, nicht ausreiche.

Erwähnenswert ist zudem, dass das OLG München sich nicht auf Argumente der Beklagten einlässt, wonach Vorbestellungen üblicher Marktpraxis entsprechen und die Formulierung und ihre Konsequenzen dem online einkaufenden Verbraucher bekannt seien. Auch das Argument, dass ein Verbraucher den Vertrag schließlich widerrufen könne, wenn er nicht länger auf die Waren warten wolle, hatte keinen Erfolg.

Anders sei dies nur, wenn der Verbraucher eine Ware noch nicht kaufe sondern nur reserviere – darunter verstehen die Gerichte offenbar einen nur für den Unternehmer verbindlichen Vorgang. Das OLG deutet gar an, dass es genügen könne, den Kaufpreis noch nicht einzuziehen solange der Liefertermin sich nicht nennen lasse. Dies ist aber mit Vorsicht zu genießen, weil grundsätzlich schon der Abschluss des Vertrages die Informationspflichten auslöst.

Konsequenzen für die Praxis

Aus der Entscheidung des OLG München kann man nicht entnehmen, dass das Prinzip der Vorbestellung per se unzulässig ist. Als unzulässig hat das Gericht zunächst einmal nur die im konkreten Fall benutze Formulierung angesehen. Solange der Händler jedoch einen Liefertermin angibt, ist auch ohne Verstoß gegen dieses Urteil eine Vorbestellung möglich.

Wenn dem Händler die genaue Angabe eines Liefertermins (noch) nicht möglich ist, kann er notfalls auch einen großzügig geschätzten Termin angeben. Dann geht er allerdings das Risiko ein, dass er in Verzug gerät, wenn sich der Verfügbarkeitstermin so nach hinten verschiebt, dass der geschätzte Termin nicht eingehalten werden kann.

Alternativ kann der Händler auch „Reservierungen“ aufnehmen, die nur den Händler selbst binden und dem Verbraucher nicht das Insolvenzrisiko aufbürden (das bedeutet aber auch, dass der Verbraucher dann noch nicht zahlt). Dann gelten noch nicht die Informationspflichten des § 312d Abs. 1 S. 1 BGB.

Obwohl das Urteil sich im konkreten Fall auf eine körperliche Ware bezog, gelten die zugrunde gelegten gesetzlichen Vorschriften auch für sonstige Leistungsgegenstände. Das Urteil ist also auch bei Vorbestellungen von Spielen zu beachten, die bei Erscheinen nur als digitaler Download verfügbar gemacht werden sollen.

Ausblick

Verantwortlich für die Einhaltung der Informationspflichten – und damit auch die rechtzeitige Auslieferung an den Endkunden – ist (nur) der direkte Vertragspartner des Endkunden. Allerdings werden auf allen Stufen der Lieferkette geeignete vertragliche Regelungen dazu zu treffen sein, wie mit dem Risiko einer Verschiebung des Veröffentlichungstermins umzugehen ist.

Nicht zu entscheiden hatte das OLG München, wie lang in der Zukunft der Liefertermin liegen darf. Unwirksam wäre eine „unangemessen lange“ Frist. Wo aber bei der Vorbestellung eines noch gar nicht erschienenen Produktes die Grenze der Unangemessenheit liegt, ist noch nicht geklärt. Hier bleibt die Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten.

Wir danken unserem wissenschaftlichen Mitarbeiter David Philipps für die Mitarbeit an diesem Beitrag.


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