„Keyselling“ verstößt gegen Urheberrecht – Erstes deutsches Urteil gegen Keyseller

Der unautorisierte isolierte Verkauf von Produktschlüsseln („keys“) für Computerspiele stellt eine Urheberrechtsverletzung dar. Das hat das Landgericht Berlin Anfang März 2014 entschieden und damit faktisch das Geschäftsmodell des Keyselling für rechtswidrig erklärt. Es ist die erste Entscheidung, die sich mit dem Geschäftsmodell befasst und stellt somit einen wichtigen Meilenstein im Umgang mit Keysellern dar. Aber auch juristisch ist die Entscheidung durchaus interessant.

Was ist Keyselling?

Das Geschäftsmodell des Keyselling nutzt den Umstand aus, dass Computerspiele weltweit zu unterschiedlichen Preisen verkauft werden. Spiele können beispielsweise auf dem russischen Markt nicht zu demselben Preis verkauft werden, wie auf dem deutschen. Und auch innerhalb Europas gibt es zum Teil deutliche Preisunterschiede.

Beim Keyselling werden die Produktschlüssel aus den DVD-Verpackungen abfotografiert und an den Keyseller geliefert bzw. über Handelsplattformen an professionelle Keyseller verkauft. Die Produktschlüssel stammen regelmäßig aus verhältnismäßig niedrigpreisigen Märkten. Die physischen Produkte werden in der Regel nicht mit geliefert. Der Keyseller verkauft die fotografierten Produktschlüssel dann im Internet zu einem deutlich geringeren Preis als dem normalen deutschen Einzelhandelspreis. Mit diesen Produktschlüsseln können die Spiele dann von den Kunden des Keysellers von digitalen Distributionsplattformen wie Steam oder Origin heruntergeladen werden. Was mit den Original-Datenträgern passiert, ist in der Regel unbekannt.

Der Fall vor dem Landgericht Berlin

Ein Spielepublisher sah sich durch das Geschäftsmodell der Keyseller in seinen urheberrechtlich geschützten Rechten verletzt und mahnte den Betreiber eines Online-Shops für Spiele-Keys ab. Er forderte, dass dieser den Weiterverkauf aller Keys unterlässt, die zu Spielen gehören, an denen der Publisher die Rechte hält. Der Keyseller wehrte sich gegen die Abmahnung und erhob negative Feststellungsklage vor dem Landgericht Berlin. Das Gericht solle feststellen, dass der Publisher wegen des Verkaufs der Produktschlüssel keine Unterlassungsansprüche gegen den Keyseller habe.

Seine Argumentation: Die UsedSoft-Entscheidung des EuGH (Urt. v. 3. Juli 2012 – C-128/11) erlaube den Weiterverkauf von Produktschlüsseln. Danach habe sich das Vervielfältigungsrecht des Publishers erschöpft, wenn er das Spiel innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes in Verkehr gebracht habe (sog. Erschöpfungsgrundsatz). Der Weiterverkauf sei dann zulässig, wenn der Original-Datenträger unbrauchbar gemacht wurde.

Der Publisher hielt dagegen: Für Computerspiele sei die UsedSoft-Entscheidung schon gar nicht anwendbar. Nach der Nintendo-Entscheidung des EuGH (Urt. v. 23. Jan. 2014 – C-355/12) gelte für Computerspiele nicht allein die Software-Richtlinie RL 2009/24/EG, auf der die UsedSoft-Entscheidung beruhte. Spiele sind demnach vielmehr hybride Werke, die auch der Urheberrechtsrichtlinie RL 2001/29/EG unterfallen. Die UsedSoft-Entscheidung sei daher schon gar nicht auf Computerspiele übertragbar.

Außerdem könne der Erschöpfungsgrundsatz nur für das Produkt gelten, dass innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes in den Verkehr gebracht wurde – und nicht für nur Teile dieses Werkes. Der Weiterverkauf der Original-Datenträger sei demnach zulässig, das Aufspalten in Datenträger und Produktschlüssel aber nicht. Obendrein trage der Keyseller die Beweislast dafür, dass die von ihm verkauften Produktschlüssel auch wirklich innerhalb des EWR in den Verkehr gebracht wurden – und nicht etwa aus Russland oder den USA stammen, wo der Erschöpfungsgrundsatz nicht greift.

Die Entscheidung des Gerichts

Das LG Berlin schloss sich in dem Urteil vom 11. März 2014 (Az. 16 O 73/13) (Volltext) der Argumentation des Publishers an. Der Erschöpfungsgrundsatz gilt nur für urheberrechtlich geschützte Werke in der Form, in der sie ursprünglich in den Verkehr gebracht wurden. Eine Erschöpfung kann also allenfalls an den Spielen auf Original-Datenträgern eintreten, nicht aber für den separaten Verkauf der Keys. Aus den Entscheidungsgründen:

„Erschöpfung kann von vornherein nur an dem Produkt eintreten, das mit Zustimmung des Berechtigten in der Europäischen Union in den Verkehr gelangt ist. Die Erschöpfung dient der Herstellung der Verkehrsfähigkeit von Produkten […]. Sie ist deshalb an dasjenige Produkt geknüpft, welches der Rechteinhaber freiwillig in den Verkehr gegeben hat. […]

Mithin konnte Erschöpfung an den […] Kombinationspaketen von vornherein nur bei Weitergabe eben dieser Kombination, nämlich des physischen Datenträgers zzgl. des Produktschlüssels eintreten. Spaltet der Verkäufer, wie hier der Kläger, diese Einheit auf und gibt nur den Produktschlüssel weiter, so verändert er die dem Produkt vom Rechteinhaber verliehene Form. Er veräußert dann nicht dasselbe, sondern ein anderes Produkt, wozu ihm die Zustimmung des Rechteinhabers fehlt. Erschöpfung kann in solchen Fällen von vornherein nicht eintreten.“

Nichts anderes ergibt sich auch aus der UsedSoft-Entscheidung des EuGH. Zum einen ist bereits fraglich, ob diese überhaupt auf Computerspiele anwendbar ist, da sich der UsedSoft-Fall ausschließlich auf die Software-Richtlinie bezieht, Spiele dieser aber nur zum Teil unterfallen. Zum anderen betrifft die UsedSoft-Entscheidung einen anderen Fall. Dort wurde die Software nämlich von vornherein digital vertrieben. Eine Aufspaltung von Datenträger und Produktschlüssel gab es dort nicht.

Die Folgen für die Praxis

Für Publisher ist die Entscheidung ein erster wichtiger Schritt im Kampf gegen den grauen Markt der Keyseller. Zwar ist es die erste Entscheidung dieser Art und ein paar Detailfragen sind noch offen – vor allem auch wegen der besonderen prozessualen Situation der negativen Feststellungsklage. Dennoch hat das Landgericht Berlin deutlich Stellung gegen Keyselling bezogen und der Spieleindustrie den Rücken gestärkt.

Eine englische Zusammenfassung des Falls gibt es bei unseren Specials.

Ein Beitrag von Felix Hilgert und Konstantin Ewald.

Full Disclosure: Wir haben den beklagten Publisher in dieser Sache vertreten. [update 9. Mai 2014] Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig. 

 


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