Games-Trend aus den USA: Tätowierer vs. Publisher im Copyright Deathmatch (Teil 1/2)

Seit den ersten Pixeln Pongs ist viel Zeit vergangen, inzwischen bieten Computer- und Konsolenspiele Auflösungen von 4k und mehr und insofern nicht nur den Nutzern eine andere, vielleicht bessere Möglichkeit, in das Spiel einzutauchen, sondern auch den Entwicklern komplett neue Möglichkeiten eine Detailtiefe darzustellen. So wird etwa Sport besonders realistisch und Spieler besonders detailgetreu dargestellt.

Diese realistischen Darstellungen in Spielen führen allerdings auch zu Problemen. War in Deutschland bisher vor allem fraglich, ob man etwa ohne Lizenz Fußballtorhüter oder reale Bauwerke in Spiele einbauen darf, mehren sich in den USA seit einiger Zeit die Fälle, in denen Publisher von Tätowierern verklagt wurden oder werden, weil sie in Sportspielen die Athleten so detailgetreu zeigen, dass auch die real vorhandenen, von den Klägern geschaffenen  Tattoos auf den digitalen Kopien der Spieler deutlich zu erkennen sind.

In Teil 1 dieses Beitrags beleuchten wir einige dieser Fälle und die ausgetauschten Argumente, bevor wir uns in Teil 2 ein paar Gedanken dazu machen, wie diese Fälle wohl nach deutschem Recht zu lösen sein könnten.

THQ und das digitale Löwentattoo

2012 verklagte der Tätowierer Chris Escobedo in den USA den Spiele-Publisher THQ. Im Juli 2009 hatte Escobedo einen großen Löwen auf den Körper des MMA Sportlers Claros Condit tätowiert, den der Tätowierer zuvor selber auf Papier entworfen hatte. THQ hatte als Publisher des Spiels „UFC Undisputed 2010“ den damaligen Welterweight Champion der Ultimate Fighting Championship (UFC) Claros Condit in dem Spiel dargestellt – oberkörperfrei und gut sichtbar mit dem Löwentattoo, welches Escobedo zuvor tatsächlich auf den Oberkörper Condits tätowiert hatte. Laut dem Tätowierer hatte dieser das Löwentattoo zwar an Escobedo für die Zurschaustellung auf dem Körper auch bei UFC-Kämpfen lizenziert, nicht jedoch für die Kopie und Darstellung in Videospielen. Für diese Nutzung forderte Escobedo über vier Millionen US-Dollar. Ein Richter entschied damals, dass das Tattoo auf der Seite Condits einen Wert von 22.500 US-Dollar habe. Die Parteien einigten sich später außergerichtlich.

EA und ein Spiel aus dem Jahr 2004

Nachdem die Klage Escobedos gegen THQ im Jahr 2012 bekannt wurde, erkannte auch der Tätowierer Stephen Allen, dass ein von ihm gestochenes Tattoo den Oberarm des NFL Running Back Ricky Williams auf dem Cover des von Electronic Arts bereits 2004 veröffentlichten Spiels „NFL Street“ zierte und verklagte sowohl seinen tätowierten Kunden als auch den Publisher. Allen zog seine Klage 2013 zurück.

Take-Two, NBA 2K und LeBron James

Im Grunde ähnlich stellen sich neuere Klage in den USA unter anderem gegen den Spiele-Publisher Take-Two Interactive dar. So klagt die „Solid Oak Sketches LLC“ gegen Take-Two. Solid Oak Sketches hat nach eigener Aussage Lizenzabkommen mit verschiedenen Tätowierern für verschiedene Tattoos, die in dem Spiel „NBA 2K16“ vorkommen. Zwei der Tattoo- Künstler zeigen sich von der Klage übrigens wenig begeistert. Ursprünglich sei es ihnen bei Solid Oak Sketches um Tattoos auf Bekleidung gegangen und nicht darum, gegen Videospiel-Publisher vorzugehen.

Ähnlich begründet der der Tätowierer James Hayden seine Klage wegen diverser Tattoos, die in den Basketball-Spielen „NBA 2K16“, „NBA 2K17“ und „NBA 2K18“ zu sehen sind. In den Spielen sind unter anderem die Spieler LeBron James, Kyrie Irving, Danny Green und Tristan Thompson dargestellt, jeweils mit den Tattoos, die sie auch tatsächlich tragen und sich von Hayden haben stechen lassen. Anders als noch 2012 geht die Klagebegründung jedoch teilweise weiter. So hat etwa James Hayden diverse Copyrights für die dargestellten Tattoos angemeldet und zählt nach eigenem Vorbringen zu den renommiertesten Tätowierern. Zudem hatte Hayden in der Vergangenheit im Auftrag des Sportartikelherstellers Nike unter anderem das Design einer limitierte Edition der „Nike Air Max LeBron VII“ Sneaker erstellt.

Der bislang jüngste Fall richtet sich ebenso gegen Take-Two wegen der Wrestling-Titel WWE 2K16, 2K17 und 2K18. In diesen wird der Wrestler und 13fache WWE Champion Randy Orton dargestellt. Auch hier sind in den Spielen Tattoos auf dem Körper Ortons zu sehen, die dieser sich außerhalb der virtuellen Welt schon zwischen 2003 und 2008 stechen ließ. 2009 kontaktierte die Tätowiererin Catherine Alexander die WWE bezüglich der Verwendung der Tattoos auf Produkten der WWE, diese bot 450 US-Dollar, was die Tätowiererin ablehnte.

Im Fall Solid Oak Sketches verlangte man vor der Klage 819.500 US-Dollar für die bisherige und weitere 1.140.000 US-Dollar für eine zukünftige Nutzung der Tattoos in den NBA 2K-Spielen. Es geht also um hohe Beträge. Dabei sind auch die Gründe der Spiele-Publisher nicht von der Hand zu weisen. In dem relativ weit fortgeschrittenen Prozess Solid Oak Sketches gegen Take-Two gibt es gleich mehrere Argumentationen:

  • Getreu der Regel „de minimis non curat lex“ (lat. „Das Recht kümmert sich nicht um Kleinigkeiten“) argumentiert Take-Two, dass die gegenständlichen Tattoos gerade einmal 0,000286-0,000431 Prozent der Gesamtdatenmenge der Spiele ausmachen und die Tattoos ohnehin nur flüchtig in den Spielen zu sehen sind. Wobei auch ein Tattoo-Editor wohl Teil einiger Spiele ist, in welchem man die Körperkunst der eigenen Spieler digital ändern kann. Dennoch: Laut Take-Two sind die Tattoos eher ein digitales Hintergrundrauschen im Gesamtwerk des Spiels, dazu sind es über 400 Spieler, die man detailgetreu teilweise mit Tattoos darstellt – die Screentime einzelner Tattos sei also verschwindend gering.
  • Eine US-amerikanische Besonderheit ist „Fair Use“. Hier werden für bestimmte Nutzungen von Werken Ausnahmen von strengen Copyright-Regeln ermöglicht. Auch hierauf setzt Take-Two mit dem Ansatz, dass der Spieler über Tattoos seine Persönlichkeit zum Ausdruck bringen möchte, Personen in den Spielen jedoch lediglich möglichst detailgetreu dargestellt werden sollen und hierzu eben auch Tattoos gehören.
  • Außerdem bringt Take-Two vor, dass eine Nutzung für Videospiele Vertragsbestandteil sei. Schließlich sei man sich beim Tätowieren darüber einig, dass die Tattoos Bestandteil des Gesamtbildes eines Spielers werden und man sich daher (stillschweigend) darüber klar ist, dass dann auch (nur noch) der Spieler darüber entscheiden kann, was mit diesem Gesamtbild geschieht.
  • Auch seien die Tattoos in diesem Fall keine Eigenschöpfungen, stattdessen hätten sich Tätowierer freier Vorlagen bedient oder aber etwa nur das als Vorlage gezeigte Foto schlicht auf die Haut (beziehungsweise darunter) übertragen.

Tatsächlich dürfte sich kaum von der Hand weisen lassen, dass Tattoos in Videospielen digitale Kopien der Tattoos im echten Leben sind und somit grundsätzlich urheberrechtlich relevant sein können. Tatsächlich passen die amerikanischen Copyright-Regeln auch teilweise. Es darf jedoch bezweifelt werden, dass das Copyright in dieser Form eine derartige Einschränkung der eigenen Person darstellen soll, wenn man sich tätowieren lässt.

Noch mehr Case Law zu Gesichtstätowierungen

In den USA wurde bisher noch nicht über De Minimis und Fair Use entschieden. Im Fall einer Klage des Boxers Mike Tyson gegen Warner Bros. wurde allerdings entschieden, dass Tätowierungen von dem US-amerikanischen Copyright Act geschützt werden. Tyson hatte wegen einer Tätowierung in dem Film „Hangover: Part II“, die einem Tattoo im Gesicht des Boxers stark ähnelte, geklagt. Die Parteien einigten sich außergerichtlich.

Zuletzt wurde LeBron James angehört, der Take-Two sein Erscheinungsbild lizenzierte und mit seiner Aussage Take-Two unterstützt. Die Frage, ob das Copyright für Tattoos in den USA realistischen Videospielen eine Schranke setzen wird, bleibt also noch unbeantwortet.


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