EU-Kommission schlägt neue Steuerregelungen für die digitale Wirtschaft vor

Am 21. März 2018 hat die EU-Kommission neue Regelungen vorgeschlagen, mit welchen sichergestellt werden soll, dass digitale Geschäftstätigkeiten in der EU auf „faire und wachstumsfreundliche Weise“ besteuert werden. Die EU-Kommission schlägt unter anderem eine Digitalsteuer vor, über welche die Mitgliedstaaten Einnahmen in Höhe von ca. fünf Milliarden Euro im Jahr erzielen könnten. Insgesamt liegen nun zwei Vorschläge der Kommission vor:

Erster Vorschlag: Reform der Unternehmensbesteuerung in der EU für digitale Tätigkeiten

Mit dem ersten Vorschlag verfolgt die Kommission eine umfassende Lösung für das System der Unternehmensbesteuerung bzw. Körperschaftsteuer. In diesem Vorschlag werden die Vorschriften für die Begründung eines neuen steuerlichen Anknüpfungspunkts für grenzüberschreitend tätige Unternehmen der digitalen Wirtschaft festgelegt. Es soll eine sogenannte signifikante digitale Präsenz eingeführt werden, also eine Art „digitale Betriebsstätte“. Die signifikante digitale Präsenz soll neben den „klassischen“ Betriebsstättenbegriff treten; d.h. Unternehmen sollen in den Mitgliedstaaten Steuern zahlen, in denen sie eine signifikante digitale Präsenz haben, selbst wenn sie dort keinen physischen Anknüpfungspunkt aufweisen. Dieser Richtlinienvorschlag soll somit eine Lösung innerhalb des bereits bestehenden Körperschaftsteuersystems bieten.

Der steuerliche Anknüpfungspunkt in Form der signifikanten digitalen Präsenz eines Unternehmens der digitalen Wirtschaft in einem Mitgliedstaat wird durch (a) die Erträge aus der Bereitstellung digitaler Dienstleistungen, (b) die Zahl der Nutzer digitaler Dienstleistungen oder (c) die Zahl der Verträge über digitale Dienstleistungen begründet. Diese Kriterien sind Anhaltspunkte für die Bestimmung des „digitalen Fußabdrucks“ – also der signifikanten digitalen Präsenz – eines Unternehmens. Für die drei vorstehend genannten nutzerbasierten Kriterien (Erträge, Zahl der Nutzer und Zahl der Verträge) werden unterschiedliche Schwellenwerte festgelegt. Eine signifikante digitale Präsenz soll demnach vorliegen, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien bezogen auf einen Veranlagungszeitraum (in der Regel das Kalenderjahr) erfüllt ist:

  • Der Anteil der Gesamterträge aus der Bereitstellung von digitalen Dienstleistungen an Nutzer in einem Mitgliedstaat und Zeitraum übersteigt 7 Mio. EUR;
  • die Zahl der Nutzer einer oder mehrerer digitalen Dienstleistungen in dem jeweiligen Mitgliedstaat und Zeitraum übersteigt 100.000 oder
  • die Zahl der Geschäftsverträge über die Bereitstellung digitaler Dienstleistungen, die in dem jeweiligen Mitgliedstaat und Zeitraum abgeschlossen wurden, übersteigt 3.000 (Verträge mit anderen Unternehmen).

Des Weiteren werden in diesem umfassenden (ersten) Vorschlag Grundsätze für die Gewinnzuordnung aufgestellt. Durch diese Grundsätze soll die Wertschöpfung digitaler Geschäftsmodelle besser erfasst werden. Zu den wirtschaftlich signifikanten Tätigkeiten, die die signifikante digitale Präsenz ausübt, sollen auch sogenannte digitale Schnittstellen erfasst werden. Für die Bestimmung der Gewinne, die der signifikanten digitalen Präsenz zuzuordnen sind, werden auch die wirtschaftlich signifikanten Tätigkeiten dieser Präsenz über eine digitale Schnittstelle berücksichtigt. Zu den Tätigkeiten, die die signifikante digitale Präsenz über eine digitale Schnittstelle ausübt, sollen unter anderem folgende Aktivitäten zählen:

  • Erhebung, Speicherung, Verarbeitung, Analyse, Bereitstellung und Verkauf von Daten auf Nutzerebene;
  • Erhebung, Speicherung, Verarbeitung und Anzeige nutzergenerierter Inhalte;
  • Verkauf von Online-Werbeflächen;
  • Bereitstellung von Inhalten Dritter über einen digitalen Marktplatz;
  • Bereitstellung anderer digitaler Dienstleistungen.

Der letzte Punkt („andere digitale Dienstleistungen“) ist für die Games-Branche besonders relevant, da unter „andere digitale Dienstleistungen“ ausdrücklich das „Herunterladen von Spielen auf Computer und Mobiltelefone“ und auch die „Gewährung des Zugangs zu automatisierten Online-Spielen, die nur über das Internet oder ähnliche elektronische Netzwerke laufen und bei denen die Spieler räumlich voneinander getrennt sind“ fallen sollen. Somit könnten auch Unternehmen der Games-Branche vom Regelungswortlaut dieses Vorschlags erfasst werden können, sofern eines oben genannten Kriterien (Erträge, Zahl der Nutzer und Zahl der Verträge) erfüllt wird.

Zweiter Vorschlag: Digitalsteuer

Bis zur Umsetzung des umfassenden ersten Lösungsansatzes schlägt die EU-Kommission eine sogenannte Digitalsteuer als Übergangsmaßnahme vor. Es soll somit eine „Übergangssteuer“ geschaffen werden, die auf die Besteuerung der Erträge aus der Erbringung bestimmter digitaler Dienstleistungen abzielt, welche dadurch gekennzeichnet sind, dass die Wertschöpfung durch die Nutzer erfolgt. Typisch für diese Dienstleistungen ist es, dass sie aus der Ferne erbracht werden können, ohne dass der Dienstleister eine physische Präsenz in dem Steuergebiet haben muss, in dem sich die Nutzer befinden und in dem schließlich die Wertschöpfung stattfindet. Folge dieser Geschäftsmodelle ist das Auseinanderfallen des Orts der Gewinnbesteuerung und des Orts der Wertschöpfung. Diese Divergenz soll durch die vorgeschlagene Digitalsteuer ausgeglichen werden, indem solche Erträge in ihren Geltungsbereich fallen, die durch die Erbringung von bestimmten Dienstleistungen entstehen, wie beispielsweise die Platzierung von Werbung auf digitalen Schnittstellen.

Die Digitalsteuer soll sich auf Geschäftsmodelle beschränken, bei denen die Nutzer einer Plattform in besonders intensiver Weise an der Wertschöpfung des Unternehmens beteiligt sind. Dies sollen folgende (digitale) Tätigkeiten sein:

  • Platzierung von Werbung auf einer digitalen Schnittstelle, die sich an die Nutzer dieser Schnittstelle richtet;
  • Bereitstellung einer mehrseitigen digitalen Schnittstelle für Nutzer, die es diesen ermöglicht, andere Nutzer zu finden und mit ihnen zu interagieren, und die darüber hinaus die Lieferung zugrundeliegender Gegenstände oder Dienstleistungen unmittelbar zwischen Nutzern ermöglichen kann;
  • Übermittlung gesammelter Nutzerdaten, die aus den Aktivitäten der Nutzer auf digitalen Schnittstellen generiert werden.

Steuerpflichtig im Hinblick auf die Digitalsteuer sollen aber nur Unternehmen sein, deren jährliche weltweite Gesamterträge 750 Mio. EUR und deren EU-Erträge 50 Mio. EUR überschreiten. Dadurch würde sichergestellt, dass kleinere Start-up-Unternehmen nicht belastet würden. Vorgeschlagen wird darüber hinaus ein einheitlicher Steuersatz für die gesamte EU in Höhe von 3%. Die Steuer soll in den Mitgliedstaaten anfallen, in denen die an den digitalen Dienstleistungen beteiligten Nutzer ansässig sind.

Vor Inkrafttreten dieser Regelungen bedarf es aber zunächst der Zustimmung aller EU-Mitgliedstaaten.


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