EU-Kommission gegen Geoblocking: Freies Spiel für freie Bürger?

Im Rahmen ihrer „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt“ hat die Europäische Kommission erste Ergebnisse zum sog. „Geoblocking“ veröffentlicht. Die Umleitung von Kunden auf länderspezifische Websites oder die Sperrung digitaler Inhalte in einzelnen Ländern betrachtet sie als Barrieren beim grenzüberschreitenden Online-Handel. Daher sollten Unternehmen genau prüfen, unter welchen Voraussetzungen territoriale Beschränkungen innerhalb der EU gerechtfertigt sind.

Geoblocking in der Praxis

Die Europäische Kommission hat ihre vorläufige Einschätzung zum Thema Geoblocking vorgestellt. Darunter versteht man die Beschränkung von Kunden aus einem EU-Mitgliedstaat beim Bezug von Waren und Dienstleistungen oder dem Zugang zu digitalen Inhalten. Beispiele für Geoblocking sind die Umleitung von Kunden auf länderspezifische Startseiten oder die Sperrung digitaler Inhalte in einzelnen Ländern. In der Tat kommt es immer wieder vor, dass deutsche Kunden bestimmte Spiele auch auf den eigentlich internationalen digitalen Vertriebsplattformen nicht zu Gesicht bekommen.

Im Rahmen ihrer „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt“ hat sich die Europäische Kommission zum Ziel gesetzt, Barrieren beim grenzüberschreitenden Online-Handel zu beseitigen. Der europäische Binnenmarkt eröffnet Verbrauchern aus den EU-Mitgliedstaaten seit vielen Jahren das Recht, Waren und Dienstleistungen in allen Mitgliedstaaten der EU zu beziehen. Die Kommission will diese Regeln nun an das digitale Zeitalter anpassen: Internet-Bestellungen bei ausländischen Online-Shops sollen erleichtert werden, damit Kunden unabhängig von ihrem Wohnort von günstigen Preisen und einem breiten Angebot profitieren können. Bereits im Dezember hatte die Kommission ihre Pläne für eine Reform des Urheberrechts vorgestellt, die Verbrauchern die Portabilität digitaler Inhalte zwischen den Mitgliedstaaten ermöglichen soll.

Das Problem: Geoblocking-Vereinbarungen

Dass es der Kommission ernst ist, zeigt allein der Umfang der Untersuchung: 1.400 Händler und Anbieter digitaler Inhalte aus allen 28 EU-Mitgliedstaaten sind befragt worden. Die Antworten legen nach Ansicht der Kommission nahe, dass Geoblocking in der EU weit verbreitet ist. Dabei zeigen sich durchaus Unterschiede bei dessen Anwendung: Bei den untersuchten Konsumgütern beruhe Geoblocking vor allem auf einseitigen Entscheidungen der Unternehmen. Diese können aber nur dann auf ihre Wettbewerbswidrigkeit geprüft werden, wenn die Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung einnehmen. Im Klartext: Solange es auf einem Markt eine Vielzahl von Anbietern gibt, kann das Geoblocking „aus eigener Initiative“ derzeit erlaubt sein. Vermarktet etwa der Entwickler eines Browserspiels dieses selbst, darf er grundsätzlich auch entscheiden, auf welchen Märkten es zugänglich sein soll. „Entwarnung“ kann aber dennoch nicht gegeben werden: Die Kommission hat bereits weitere Gesetzesinitiativen angekündigt, um aus ihrer Sicht „ungerechtfertigtes“ Geoblocking einzudämmen.

Demgegenüber sei Geoblocking beim Vertrieb digitaler Inhalte häufiger Gegenstand einer Vereinbarung zwischen Unternehmen, die regelmäßig dem Kartellverbot unterfallen und damit einer Prüfung durch die Kommission als EU-Wettbewerbsbehörde zugänglich sind. Von den befragten Anbietern digitaler Inhalte berichteten 68 %, dass sie Geoblocking anwenden würden, rund 60 % erklärten, sie seien hierzu vertraglich verpflichtet. Sollte die Kommission im Rahmen der weiteren Untersuchung Anlass für wettbewerbliche Bedenken sehen, hat sie bereits angekündigt, entsprechende Untersuchungen gegen die betroffenen Unternehmen einzuleiten.

Wann Geoblocking erlaubt ist (und bleibt?)

Für die Anbieter von Produkten und Dienstleistung ist daher entscheidend, wann die Kommission Geoblocking für gerechtfertigt hält. Dies gilt vor allem bei Games, Filmen und anderen digitalen Inhalten, für die das Urheberrecht bislang territoriale Beschränkungen im Rahmen der Verwertung gestattet. Die Kommission muss zwischen den Interessen von Verbrauchern, Rechteinhabern und Wettbewerb im Binnenmarkt abwägen. Ihre Einschätzung hierzu steht bislang noch aus. Sofern Geoblocking nicht gerechtfertigt ist und zu einer unzulässigen Gebietsbeschränkung entlang nationaler Grenzen führt, kann die Kommission Bußgelder bis zu 10 % des Konzernumsatzes verhängen. Unternehmen sollten daher bestehende Vertriebsverträge auf ihre Vereinbarkeit mit EU-Kartellrecht prüfen.

Für die Jahresmitte 2016 hat die Kommission einen ausführlichen Bericht zum Thema Geoblocking und den Ergebnissen ihrer bisherigen Untersuchung angekündigt. Hier bleibt abzuwarten, welche Rechtfertigungsgründe für Geoblocking die Kommission anzuerkennen bereit ist. Im Anschluss daran ist geplant, eine öffentliche Konsultation durchzuführen. In diesem Rahmen werden Unternehmen die Möglichkeit haben, zu den Feststellungen der Kommission Stellung zu nehmen.


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