„Wir müssen die Aufholjagd beginnen“, forderte Günther Oettinger im November 2014 bei seinem Amtsantritt als Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft; sechs Monate später lag das Strategiepapier für einen digitalen Binnenmarkt in Europa auf dem Tisch. Erklärtes Ziel ist das Aufbrechen nationaler Silostrukturen, was nach Ansicht von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu einer verbesserten Nutzung der Möglichkeiten digitaler Technologien führen würde. Die Pläne der EU enthalten allerdings einige Vorschläge, die sich für Games-Anbieter als große Herausforderung erweisen dürften.
Die Strategie für die Schaffung bzw. Stärkung des digitalen Binnenmarktes beruht dabei auf drei Säulen:
- Besserer Zugang zu digitalen Waren und Dienstleistungen
- Optimale Rahmenbedingungen für digitale Netze und Dienstleistungen
- Digitale Wirtschaft als Wachstumsmotor
Im Dezember 2015 präsentierte die Kommission ihre Vorstellungen zur Überwindung der Hürden im digitalen Handel und Datenverkehr. Es ist insoweit avisiert, dass die geplanten Regelungen zeitgleich mit dem endgültigen Ende der Mobilfunk-Roaminggebühren im Jahr 2017 in Kraft treten – vorausgesetzt der Rat und das Parlament spielen mit.
Geoblocking ade?
Im Mittelpunkt des vorgelegten Verordnungsvorschlags – Günther Oettinger spricht insoweit von einem „Häppchen“ oder maximal einer „Vorspeise“ – steht die Gewährleistung der so genannten grenzüberschreitenden Portabilität von Online-Inhalten. Konkret geht es darum, dass erworbene oder abonnierte Online-Inhalte auf Reisen innerhalb der EU von den Kunden mitgenommen-bzw. genutzt werden können. Dies betrifft vor allem Streaming-Dienste und Anbieter von Onlinespielen, welche ihren Kunden derzeit aus unterschiedlichen Gründen den Zugriff nur innerhalb bestimmter geographischer Grenzen gewähren können oder wollen. So können räumliche begrenzte Verwertungsrechte oder regulatorische Unterschiede den Zugang aus bestimmten Ländern verbieten; die Meldung „Dieser Inhalt ist in deinem Land nicht verfügbar“ hat wohl jeder User schon einmal gesehen.
Damit soll in Zukunft Schluss sein, obgleich diesem Teilverbot des Geoblockings auch erhebliche Bedenken gegenüberstehen. Widerstand gibt es noch von einigen Mitgliedstaaten und vor allem aus der Kreativwirtschaft. Deren Argumenten hält der EU-Kommissar entgegen, dass es gerade nicht möglich sein soll, gezielt Online-Dienste in einem anderen EU-Staat zu erwerben und diese dauerhaft im Heimatstaat zu nutzen. Insofern soll dem Hauptwohnsitz weiterhin Bedeutung zukommen – was allerdings weder das Problem territorial beschränkter Nutzungsrechte noch das der Einhaltung straf- oder jugendschutzrechtlicher Einschränkungen der Verwertung bestimmter Inhalte löst.
Ewige Gewährleistung für digitale Inhalte
Nicht weniger problematisch sind darüber hinaus die Vorschläge der Kommission zur Schaffung eines modernen Vertragsrechts für die Online-Wirtschaft mit dem Ziel, einen einfacheren Zugang zu digitalen Inhalten zu schaffen und den Online-Handel innerhalb der EU weiter zu fördern. Die geplanten Änderungen betreffen zum einen als rein digitale Inhalte, zum anderen sind auch Änderungen für Waren im Allgemeinen vorgesehen.
In diesem Rahmen sollen Lieferanten digitaler Inhalte zukünftig „unendlich“ haftbar für Mängel sein. Im Gegensatz zu Waren unterlägen digitale Inhalte keinen Verschleißerscheinungen, was nach Ansicht der EU Kommission dazu führen soll, dass zeitliche Haftungsbegrenzungen für digitale Inhalte entfallen müssen.
Dies überzeugt schon dogmatisch nicht, weil die gesetzlich zwingende Mangelgewährleistung bisher an die Mangelfreiheit zu einem konkreten Zeitpunkt (vereinfacht: Erwerb des digitalen Inhalts) anknüpft; sie ist gerade keine Haltbarkeitsgarantie.
Überdies wirft dieser Vorschlag insbesondere für den Betrieb von Onlinespielen erhebliche Probleme auf – unklar ist insbesondere, wie sich eine solche grundsätzlich unbeschränkte Gewährleistung für die Funktionsfähigkeit eines Inhalts mit der „endlichen“ Natur dieser Spiele vertragen soll, die naturgemäß bei nachlassender Beliebtheit irgendwann nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können.
Zudem soll es aufgrund der technischen Natur von digitalen Inhalten für den Verbraucher besonders schwer sein, die Ursache eines Mangels zu beweisen. Die Beweislast bei mangelhaften digitalen Inhalten und Diensten soll daher beim Lieferanten liegen; es ist also eine zeitlich nicht begrenzte Beweislastumkehr vorgesehen.
Diese Änderung im Rahmen der Beweislast soll im Übrigen auch für Verkäufer von nicht-digitalen Waren gelten; und zwar insofern, als dass sich die Beweislastumkehr auf die vollen zwei Jahre Gewährleistung erstreckt. Bisher variierte der Zeitraum je nach Mitgliedstaat.
Änderungen auch im Urheberrecht
Neben dem Verordnungsvorschlag legt die Kommission einen Aktionsplan zur Modernisierung des EU-Urheberrechts vor. Hierbei handelt es sich jedoch in diesem frühen Stadium eher um eine politische Vorausschau, welche in den kommenden sechs Monaten konkretisiert und in Legislativvorschläge umgesetzt wird. Wir werden weiter berichten.
Wir danken unserem wissenschaftlichen Mitarbeiter Denis Beab für die Mitarbeit an diesem Beitrag.
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