Das neue Jugendschutzgesetz kommt – mit weiteren Verschärfungen

Über ein Jahr nach Veröffentlichung des ersten Reformentwurfs wird der Bundestag morgen (5. März 2021) das neue Jugendschutzgesetz beschließen. Dann muss das Gesetz noch den Bundesrat passieren – wann die neuen Regeln genau in Kraft treten ist also weiter offen. [Update: Das BMFSFJ strebt allerdings schon den 1. April 2021 an.] In der jetzt veröffentlichten Fassung enthält das Gesetz gegenüber dem zuvor bekannten Entwurf noch einige Verschärfungen.

Interaktionsrisiken im Gesetzestext

Schon bekannt war, dass künftig auch sogenannte „Interaktionsrisiken“ bei der Alterseinstufung eines Mediums Berücksichtigung finden werden. Was genau darunter zu verstehen war, ergab sich bisher nur in der Gesetzesbegründung. Nun findet sich eine nicht abschließende (aber dafür teilweise unklare) Auflistung von Beispielen in einem neuen § 10b Abs. 3 S. 2 JuSchG-E:

Hierzu zählen insbesondere Risiken durch Kommunikations- und Kontaktfunktionen, durch Kauffunktionen, durch glücksspielähnliche Mechanismen, durch Mechanismen zur Förderung eines exzessiven Mediennutzungsverhaltens, durch die Weitergabe von Bestands- und Nutzungsdaten ohne Einwilligung an Dritte sowie durch nicht altersgerechte Kaufappelle insbesondere durch werbende Verweise auf andere Medien

Wie genau die zahlreichen offenen Rechtsbegriffe („exzessiv“, „altersgerecht“, „glücksspielähnlich“) zu interpretieren und in das etablierte Kriteriengerüst der Altersfreigabe einzusortieren sind, wird erst die Praxis ergeben. Bis dahin sehen sich Anbieter von Spielen einer erheblichen Unsicherheit ausgesetzt. Zudem führt dieser Ansatz zu widersprüchlichen Doppelregelungen in Bezug auf das Zivil-, Verbraucherschutz- und Datenschutzrecht.

Verschlimmert wird die Lage noch durch eine weitere Vorgabe: Bei der Bewertung, wie sich ein Interaktionsrisiko auf die Altersfreigabe auswirkt, sollen auch die Vorsorgemaßnahmen von Plattformanbietern nach § 24a JuSchG-E berücksichtigt werden. Auch das stand vorher in der Entwurfsbegründung, ist aber unsinnig: Diese Maßnahmen unterliegen einer laufenden Entwicklung und stehen bei Erteilung des Alterskennzeichens nicht abschließend fest. Soweit der Anbieter eines Spiels dieses über Plattformen Dritter vertreibt, kann er bestimmte Vorsorgemaßnahmen (wie beispielsweise Parental Controls im Zusammenhang mit In-App-Käufen) nicht einmal selbst beeinflussen. Erscheint ein Spiel auf mehreren Plattformen mit unterschiedlichen Maßnahmenkonzepten, könnten sogar unterschiedliche Freigaben die Folge sein.

Die vielfach geäußerte strukturelle Kritik an der Einbeziehung von Interaktionsrisiken in die Alterskennzeichnung hat der Gesetzgeber also nicht adressiert.

Vorrang für Inhaltsdeskriptoren

Immerhin lässt sich aus § 10b Abs. 2 JuSchG-E eine Vorrangstellung von Inhaltsdeskriptoren entnehmen.

Im Ausgangspunkt wird für die Altersfreigabe also der Inhalt des Mediums bewertet. Grundsätzlich soll ein dazukommendes Interaktionsrisiko „nur“ zur Kennzeichnung mit dem entsprechenden Inhaltsdeskriptor (z.B. „Enthält In-App-Käufe“) führen – nur bei besonders gewichtigen Interaktionsrisiken soll zusätzlich die für den Inhalt eigentlich einschlägige Alterseinstufung nach oben korrigiert werden.

In der Gesetzesbegründung heißt es dazu,

dass die Berücksichtigung von Interaktionsrisiken bei der Alterskennzeichnung vorrangig durch die in § 14 Absatz 2a vorgesehenen Deskriptoren geschehen soll […].

Im Detail sind die Regelungen zum Zusammenspiel zwischen Berücksichtigung von Interaktionsrisiken und Vergabe von  Inhaltsdeskriptoren leider eher undurchsichtig und enthalten auch widersprüchliche Formulierungen. Hier wird es darauf ankommen, dass die Praxis – insbesondere die USK und die Obersten Landesjugendbehörden – schnell praktisch handhabbare Kriterien entwicklen.

Fazit

Neben den diskutierten Änderungen enthält der verabschiedete Gesetzestext noch einige für Spieleanbieter eher zweitrangige Neuerungen, insbesondere kleine Nachsteuerungen im Bezug auf die Umsetzung des Gesetzes durch Bund und Länder. Inwieweit die „Durchwirkungsregelung“ des § 14 Abs. 6a JuSchG-E, mit der bestimmte Alterseinstufungen aus dem Online-Bereich auch als verbindliche Kennzeichen nach dem JuSchG übernommen werden können, letztlich positive Wirkung zeigt, wird entscheidend von der praxistauglichen Ausgestaltung durch Selbstkontrollen und Aufsichtsbehörden der Länder abhängen.

Änderungen des Gesetzestextes sind durch die anstehende Beteiligung des Bundesrates immer noch möglich – natürlich bleiben wir dran. Unsere konsolidierte Fassung, die die Änderungen zum aktuell geltenden Recht aufzeigt, haben wir inzwischen schon einmal aktualisiert.

Alle Änderungen des JuSchG im Überblick

Hier finden Sie die konsolidierte Fassung der geplanten Änderungen des Jugendschutzgesetzes in der Fassung der BT-Drs. 19/24909 u. 19/27289 (Stand: 3. März 2021).


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