BPjM: Egoshooter „Doom“ ist trotz „Tötungsbejahung“ nicht (mehr) jugendgefährdend (Volltext)

Das Computerspiel „Doom“, das als Prototyp des Spielgenres „Egoshooter“ gelten kann, steht nicht mehr auf der Liste der jugendgefährdenden Medien. Die entsprechende Entscheidung der Bundesprüfstelle vom 4. August ist mit ihrer heutigen Veröffentlichung im Bundesanzeiger wirksam geworden.

Das Spiel war im Jahr 1994 wegen der für damalige Verhältnisse sehr realistischen, „dreidimensionalen“ Darstellung der Tötung von Menschen und menschenähnlichen Wesen indiziert worden. Im Normalfall gilt eine Indizierung für 25 Jahre (§ 18 Abs. 7 JuSchG), der Inhaber der Verwertungsrechte an einem indizierten Medium kann aber bereits vorher einen Antrag auf Listenstreichung stellen; ab 10 Jahre nach der Indizierung kommt sogar das vereinfachte Verfahren in Betracht (§ 23 Abs. 4 JuSchG).

Im Falle des Spiels „Doom“ (sowie der europäischen Version des Nachfolgers „Doom II“) hatte ein solcher Antrag des Publishers ID Software jetzt Erfolg. Allerdings hatte sich das 3er-Gremium im vereinfachten Verfahren nicht zur Streichung durchringen können, so dass das Spiel schließlich im 12er-Gremium erneut geprüft werden musste. Die Entscheidungsbegründung der Bundesprüfstelle, die auch im aktuellen BPjM-Info 3/11 (und demnächst voraussichtlich hier im Volltext) veröffentlicht ist, macht deutlich, dass diese Entscheidung auch innerhalb des 12er-Gremiums keineswegs unumstritten war:

Der Antrag auf Listenstreichung hat Erfolg, wenn das 12er-Gremium der Bundesprüfstelle nicht mit der erforderlichen 2/3-Mehrheit, die auch für eine Listenaufnahme vorgeschrieben ist, für den Fortbestand der Indizierung stimmt. Diese erforderliche Mehrheit ist vorliegend nicht zustande gekommen. […]

Mehrere Mitglieder des 12er-Gremiums waren der Ansicht, dass die im Spiel enthaltenen Gewaltszenen auch aus heutiger Sicht unverändert als jugendgefährdend einzustufen seien und damit die Indizierung aufrecht erhalten werden müsse. […]

Dieser Auffassung konnte sich das Gremium nicht mit der erforderlichen Mehrheit anschließen.

Die Zweidrittelmehrheit ist gesetzlich nur für die Aufnahme eines Mediums in die Liste ausdrücklich vorgesehen (§ 19 Abs. 6 JuSchG), aber es entspricht der ständigen Verwaltungspraxis der Bundesprüfstelle, diese Schwelle auch für andere Entscheidungen wie die Eintragung eines Mediums in den Listenteil B oder die Ablehnung (!) eines Antrags auf Listenstreichung anzuwenden.

Den im Spiel enthaltenen Taktik- und Rätselelementen misst das Gremium keine besondere Bedeutung bei. Der Spielverlauf, der im Wesentlichen aus Tötungshandlungen bestehe, sei nach wie vor „bedenklich“. Das Gremium legt auch Wert auf die Feststellung, dass die – im vorliegenden Fall deutlich veraltete – grafische Darstellung nur eines von mehreren Kriterien für die Beurteilung des Gewaltgrades darstellt. Zu berücksichtigen seien neben der reinen Visualisierung der Gewalt in jedem Fall auch das Handlungsumfeld, das Spielziel, die Gegner und die Formen der Gewalt.

Seit der Indizierung des Spiels hätten sich aber die Maßstäbe im Bereich der Computergrafik deutlich verschoben, so dass nicht mehr ohne Weiteres von einer realitätsnahen, detaillierten Darstellung gesprochen werden könne. Auch von einer Jugendaffinität geht das Gremium nicht mehr ohne weiteres aus, da heute in USK-gekennzeichneten Spielen deutlich realistischere und drastischere Darstellungen enthalten seien und das Spiel „Doom“ eher noch unter einem historischen Blickwinkel interessant sei. Im Ergebnis liege daher keine Jugendgefährdung mehr vor:

Es fehlt [den Darstellungen] zudem die Eignung, heutigen Minderjährigen als Vorbild für reale Handlungsmuster zu dienen. Der Spieler wird aufgrund der distanzierend wirkenden Grafik in das Kampfgeschehen nicht mehr emotional involviert. Es verbleibt sowohl auf der visuellen Ebene als auch auf der Tonebene der Eindruck von abstrakten und damit auch überdeutlich als fiktiv und als unrealistisch zu erkennenden Schilderungen. Das spielerische Erleben hinsichtlich der empathischen Beeinflussung der Rezipierenden ist demnach heute anders zu bewerten als noch vor 18 Jahren. […]

Durch das faktische „out of time“ der Handlungsvisualisierung in Verbindung mit dem realitätsfernen, futuristischen Spielgeschehen erreicht das Spiel trotz der nach wie vor inhärenten Tötungsbejahung nicht länger den Grad einer Jugendgefährdung.

Abschließend weist die BPjM zutreffend darauf hin, dass mit der Listenstreichung das Spiel nach wie vor nicht völlig frei verkäuflich ist. Da es kein Alterskennzeichen aufweist, darf es in Deutschland auch nach Wegfall der Indizierung nur an Erwachsene abgegeben werden (§ 12 Abs. 3 JuSchG). Es bleibt abzuwarten, ob der Publisher überhaupt eine Alterskennzeichnung anstrebt.

Update:

Manchmal geht alles schneller als erwartet. Wie der Gamesmarkt soeben meldet, begrüßt die USK die Aufhebung der Indizierung und vergibt ein 16er Rating für Doom. Damit ist „Doom“ dann auch frei verkäuflich – jedenfalls an die richtige Altersgruppe.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar