Angelesen… Veröffentlichungen im Spielerecht (7)

In unserer Rubrik „Angelesen“ weisen wir in unregelmäßigen Abständen auf aktuelle Veröffentlichungen im Spielerecht hin. Die Auswahl ist komplett subjektiv und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wir stellen zusammen, was wir interessant finden – auch mit Blick über den juristischen Tellerrand hinaus.

Diesmal (u.a.): Digitale Inhalte, E-Sport als Sport, problematische Symbolik, Influencer (nicht zu verwechseln mit Influenza), und die Beutebüchse der Pandora.

Internetrecht

Einen Überblick über die juristischen Entwicklungen zum elektronischen Geschäftsverkehr, dem Wettbewerbs- und Kennzeichenrecht und dem Immaterialgüterrecht liefert Helmut Hoffmann im lesenswerten Aufsatz „Die Entwicklung des Internetrechts bis Ende 2017“ (NJW 2018, 512).

Die Arbeitssitzung „Verträge über digitale Inhalte – Überblick und Auswirkungen auf das Urheberrecht“ des Instituts für Urheber- und Medienrecht fand im November in München statt. Die Vorträge behandelten den geplanten europäischen Richtlinienvorschlag, Mängelgewährleistungspflichten, Verbrauchererwartungen und mögliche Kollisionen mit dem Urheberrecht hat die ZUM in Ihrer Ausgabe 2/2018 veröffentlicht.

„Spezialregelungen für Verträge über digitale Inhalte in Theorie und Praxis“ lautet der Beitragstitel von Ruth Janal und Jonathan Jung. Die Autoren berichten über Studie, die Webseiten von zehn Anbietern digitaler Produkte und Dienste auf die Einhaltung der Informationspflichten aus §§ 312 d Abs. 1, 312 j Abs. 2 BGB prüfte. Das Ergebnis sei ernüchternd, so ihr Fazit (VuR 2017, 332).

E-Sport

In den letzten Jahren hat der e-Sport auch in Deutschland ein rasantes Wachstum hingelegt, Turniere füllen auch hierzulande die großen Stadien. Die juristischen Debatten jedoch noch ganz am Anfang und behandeln zunächst die grundsätzlichen Themen.

Einen allgemeinen Überblick zu den sich stellenden Rechtsfragen im e-Sport liefert Roman Brtka. Der primäre Fokus seines Aufsatzes liegt auf Fragen aus dem gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, kurz reißt er aber ebenso weniger beachtete Aspekte wie Jugendschutz und auch das Anti-Doping-Gesetz an (GRUR-Prax 2017, 500-502). Mit den grundsätzlichen Rechtsfragen dieses „komplexen Ökosystems“ beschäftigt sich ebenfalls Dieter Frey in einem zweiteiligen Aufsatz (Teil 1: SpuRt 2018, 2).

Neben der Politik beschäftigen sich vor allem Sportrechtler aktuell mit der Frage, ob e-Sport als Sport anzusehen sei. Bereits vor einiger Zeit haben Felix Holzhäuser, Tim Bagger und Maximilian Schenk den ersten Aufschlag gemacht und provokant gefragt, ob e-Sport denn „echter“ Sport sei. In ihrem Aufsatz erläutern sie anschaulich die Hintergründe unseres Sportbegriffs und beschäftigen sich auch mit den Voraussetzungen einer institutionellen Akzeptanz des e-Sports (SpuRt 2016, 94-98). Ähnlichen Fragen geht Paul Lambertz in einem lesenswerten Aufsatz für die Causa Sport nach. Spoiler-Alert: Eine Anerkennung durch den Deutschen Olympischen Sportbund sei zwar denkbar, es dürfte aber in der Praxis einigen Widerstand geben (CaS 2017, 119-123, für Abonnenten). Diesen Widerstand zeigt auch eine Diskussion des Verfassers auf Twitter, bei der sich Ilja Waßenhoven vom Landessportbund NRW vehement gegen eine Qualifikation von e-Sport als Sport aussprach.

Den strafrechtlichen Sportbegriff nimmt Christian Schörner detailliert unter die Lupe. In einem Beitrag für die HRRS vertritt er die Auffassung, dass die §§ 265c StGB (Sportwettbetrug) und 265d StGB (Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben) auch auf kompetitives Computerspielen Anwendung finden (HRRS 2017, 407).

Einen juristischen Überblick, wie adäquate Anti-Doping-Regelwerke im e-Sport aussehen könnten und wie die bestehenden Prüfungen funktionieren, hat Jana Heene bereits 2016 geliefert (SpuRt 2016, 98-103). Damals bestand noch Hoffnung, die weit gefasste Liste verbotener Substanzen könne für Denksportarten um eine spezielle oder eingeschränkte Liste ergänzt werden. Einen entsprechenden Wunsch hatte ursprünglich der Weltschachbund geäußert, ähnliche Forderungen kommen laut Medienberichten mittlerweile aber auch aus der e-Sport Szene.

Nur eine Frage bleibt völlig offen: Heißt es nun e-Sport, E-Sport, eSport, ESport, e-Sports, E-Sports, eSports oder ESports?

NS-Symbolik in Computerspielen

Die Diskussion über verfassungsfeindliche Symbolik in Computerspielen hat zuletzt wieder deutlich an Fahrt aufgenommen. Anlässlich des Release von „Wolfenstein 2: The New Colossus“ haben zahlreiche Medien über das langjährige Streitthema berichtet. Auf Zeit Online bezeichnet Matthias Kreienbrink den Umgang mit NS-Symbolik in Spielen als „absurd“, Christian Schiffer vom Deutschlandfunk nennt die Regelung „unzeitgemäß“. Als „willkürlich“ sieht auch der BIU-Geschäftsführer Felix Falk das Verbot. Im Interview mit der GamesWirtschaft erklärt er, dieses verstoße unter anderem gegen die Grundrechte der Kunst- und Meinungsfreiheit. Welche Schwierigkeiten eine Änderung der Praxis aber mit sich bringt, erläutert Konstantin Ewald in einem Artikel von Daniel Raumer (GamesMarkt 01/2018, 48-55).

Wegen einer Hakenkreuz-Darstellung in dem satirischen Beat’em Up „Bundesfighter II Turbo“ soll derzeit auch das LKA Baden-Württemberg ermitteln. Wie der Verband für Deutschlands Video- und Computerspieler (VDVC) berichtet, liegt der Staatsschutz-Abteilung eine entsprechende Anzeige vor. Konkret geht es um eine Attacke des dort spielbaren AfD-Politikers Alexander Gauland, bei der sich die Spielfigur in die Form eines Hakenkreuzes verrenken soll. Ein kleiner Lichtblick: Dem Bericht zufolge sieht jedenfalls jugendschutz.net in der Darstellung keinen Verstoß gegen § 86a StGB bzw. § 4 Abs. 1 Nr. 2 JMStV.

„Loot Boxes“ im Blick der (süd-)deutschen Politik

In China gibt es bereits seit einigen Monaten Regulierungsinitiativen für sog. Loot Boxes in Online Games (wir berichteten). Auch im europäischen Ausland ist es ein Thema, u.a. im Vereinigten Königreich und Belgien. Nun ist auch die deutsche Landespolitik auf dieses Thema aufmerksam geworden: Mit gleich drei Eilanträgen beschäftigte sich der bayerische Landtag mit der Thematik. Aus juristischer Perspekte haben Thomas Hertl und Adrian Kowalski eine knappe Einführung in das Thema geliefert, die rege diskutiert wurde (LTO v. 20.01.2018). Ausführlicher ist Robert Schippel dem Thema nachgegangen. Der Glücksspielrechtler und Justiziar von LOTTO Bayern kommt zum klaren Ergebnis, das Handeln mit virtuellen Gütern in Online-Games habe im Regelfall keine glücksspielrechtliche Dimension (CR 2017, 728).

Auch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) hatte bereits im Oktober vergangenen Jahres eine Stellungnahme zu diesem Thema veröffentlicht. In diesem hatte die BPjM u.a. festgestellt, dass bei Loot-Boxen die Risiken für Kinder und Jugendliche primär von der „besonderen Spielanlage“ ausgehe und dies nicht „minder problematisch“ sei als inhaltsbezogene Risiken.

Für Apps hat Apple seine Richtlinien geändert: Laut den neuen Bedingungen für In-App-Käufe müssen Anbieter von Loot-Boxen vor dem Kauf die Gewinnwahrscheinlichkeit angeben.

Jugendschutz

Alljährlich fassen Kristina Hopf und Birgit Braml von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) ausführlich die Entwicklungen im Jugendmedienschutz zusammen. Die Schwerpunkte liegen in diesem Jahr auf dem NetzDG, den ersten Erfahrungen mit dem neuen JMStV sowie Jugendschutz bei Web-TV und eSport-Veranstaltungen. Wie jedes Jahr eine lohnende Lektüre (ZUM 2018, 1).

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) richtet sich neu aus, unter anderem hat sie einen dedizierten Fachbereich für die Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendmedienschutzes geschaffen. In der BPjM-Aktuell, dem hauseigenen Mitteilungsblatt, hat sie nun gleich eine Reihe an Personen gebeten, ihre Erwartungen an einen zeitgemäßen Jugendmedienschutz zu beschreiben. Die Gastbeiträge stammen u.a. vom Medienrechtler Christoph Degenhart, den re:publica-Mitgründer Johnny Haeusler, dem Kriminologen Thomas-Gabriel Rüdiger und der Autorin Ariadne von Schirach (BPjM-Aktuell 4/2017, 4-18).

Kurzzeitige Verwirrung in der Gaming-Szene hat die BPjM mit der Meldung geschaffen, das in Deutschland beschlagnahmte Zombiespiel Dead Rising von der „Liste B“ zu streichen. Während das AG Hamburg die Aufhebung einer Beschlagnahme angeordnet hatte, war der Bonner Behörde offenbar ein weiterer Beschlagnahmebeschluss des AG Duisburg durchgerutscht. Mittlerweile wurde das Versehen korrigiert. Aktuell stehen 556 Titel auf dem sogenannten Index, wie Fabian A. Scherschel in einem Artikel für Heise Online nachgerechnet hat. Nicht mehr auf der Liste steht übrigens „Josefine Mutzenbacher – die Geschichte einer wienerischen Dirne, von ihr selbst erzählt“ – Namensgeber der Mutzenbacher-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Über die Arbeit der BPjM hat die Vorsitzende, Martina Hannak, in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Paywall) gesprochen.

Ebenfalls historisch waren Daniel Hajok, Sven Jöcleö und Jan Lukas Neuburg unterwegs: In „Computerspiele im Spiegel der Zeit“ beleuchten sie die gesellschaftlichen Diskurse und das Handeln des Jugendmedienschutzes (JMS-Report 4/2017, 2).

Influencer-Marketing

Die Zahl der veröffentlichten Entscheidungen zu falsch oder nicht gekennzeichneter Werbung in sozialen Medien nimmt stetig zu. Über zwei Entscheidungen hatten wir bereits berichtet, nun hat auch das KG Berlin auf eine Abmahnung des Verbands Sozialer Wettbewerb e.V. eine entsprechende Verfügung erlassen (Beschluss v. 11.10.2017, Az. 5 W 221/17). Passend hierzu haben Fabian Reinholz und Martin Schirmbacher die Anforderungen an die Kennzeichnung von Influencer-Werbung in einem Aufsatz zusammengefasst (K&R 2017, 753). Das Urteil des OLG Celle haben German Blumenthal und Niclas Vilma kommentiert (ITRB 2017, 225).

Als irreführend hat die britische Advertising Standards Authority (ASA) übrigens die Twitter-Werbung eines Spiels eingestuft. So weit, so alltäglich. Die Begründung überrascht aber: Der verwendete Screenshot zeigte nämlich gar nicht das beworbene Spiel, sondern einen völlig anderen Titel. Manchmal kann Jura so einfach sein.

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