Abmahnungen wegen des rechtswidrigen Handels mit USK-18-Spielen bei eBay

Viele Rechtsanwaltskollegen stellen seit einiger Zeit „Warnmeldungen“ auf ihre Websites, wenn sie von urheber- oder wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen bestimmter Personen erfahren. Das mag dazu dienen, Betroffene per Nennung in den Google-Suchergebnissen auf die eigene Seite zu lenken und damit Akquise zu betreiben, was ja nicht verwerflich ist. Trotzdem klingen diese Postings in meinen Ohren manchmal etwas arg nach Online-Pranger: Sehr her, die bösen Abmahn-Abzocker sind wieder unterwegs. Jetzt ist mir eine solche Meldung wegen einer Abmahnung von Jugendschutzverstößen aufgefallen, die mir den willkommenen Anlass gibt, anstatt mich über das üble Wetter in Toronto zu ärgern einmal über eine der schrägsten Fiktionen des Jugendschutzrechts zu bloggen.

Gegenstand der Abmahnung ist der Verkauf von Computerspielen

ohne dass eine Altersüberprüfung erfolgt und ohne dass sichergestellt worden [ist], dass kein Versand an Kinder oder Jugendliche erfolgt.

Warum ist das verboten und was hat der abmahnende Händler dagegen? Will er nur einen unliebsamen Konkurrenten in Schwierigkeiten bringen?

Computerspiele mit einer USK-Altersfreigabe „ab 18“ (eigentlich „keine Jugendfreigabe“, siehe § 14 Abs. 2 JuSchG) dürfen an Minderjährige nicht abgegeben werden, weder im Laden noch im e-Commerce. Ähnlich wie bei indizierten Medien, für die aber noch weitere Einschränkungen gelten, ist der Vertrieb im Versandhandel grundsätzlich sogar ganz verboten (§ 12 Abs. 3 JuSchG; Hervorhebung von mir):

Bildträger, die nicht oder mit „Keine Jugendfreigabe“ nach § 14 Abs. 2 von der obersten Landesbehörde oder einer Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle im Rahmen des Verfahrens nach § 14 Abs. 6 oder nach § 14 Abs. 7 vom Anbieter gekennzeichnet sind, dürfen

1. einem Kind oder einer jugendlichen Person nicht angeboten, überlassen oder sonst zugänglich gemacht werden,

2. nicht im Einzelhandel außerhalb von Geschäftsräumen, in Kiosken oder anderen Verkaufsstellen, die Kunden nicht zu betreten pflegen, oder im Versandhandel angeboten oder überlassen werden.

Nach dieser Vorschrift dürften USK-18-Spiele also eigentlich überhaupt nicht bei eBay verkauft werden. Wäre da nicht die bemerkenswerte Begriffsdefinition des § 1 Abs. 4 JuSchG:

Versandhandel im Sinne dieses Gesetzes ist jedes entgeltliche Geschäft, das im Wege der Bestellung und Übersendung einer Ware durch Postversand oder elektronischen Versand ohne persönlichen Kontakt zwischen Lieferant und Besteller oder ohne dass durch technische oder sonstige Vorkehrungen sichergestellt ist, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt, vollzogen wird.

Oder anders gesagt: Versandhandel ist doch kein Versandhandel, wenn kein Versand an Minderjährige erfolgt.

Hier liegt dann auch der Hase im Pfeffer: Jede „technische oder sonstige Vorkehrung“, die den Versand an Minderjährige verhindert, erfordert organisatorischen Aufwand, kostet zusätzliches Geld und schreckt potentielle Kunden ab, weil sie per Definiton komplizierter sein muss als „normaler“ Versandhandel. Große Onlineversender wie Amazon setzen etwa ein System ein, bei dem der Zusteller die Lieferung erst nach Ausweiskontrolle aushändigt – dazu muss der Besteller aber persönlich zuhause sein wenn der Postmann zweimal klingelt, ansonsten geht die Lieferung retour. An andere Haushaltsmitglieder darf das Päckchen nicht ausgehändigt werden, auch wenn diese ebenfalls volljährig sind. Lieferungen an Packstationen oder in Postfächer sind nicht möglich, und zusätzliche Versandkosten fallen auch noch an.

Verzichtet ein Händler unter Verstoß gegen das JuSchG auf solche Maßnahmen, kann er natürlich billiger verkaufen und unkomplizierteren Service bieten. Das ist, wie das OLG Düsseldorf in seiner später vom BGH bestätigten Entscheidung zu dem Altersverifikationssystem „ueber18.de“ (Az. I-20 U 143/04) anschaulich begründet hat, wettbewerbswidrig:

Im Hinblick darauf, dass deutsche Anbieter von Internetpornografie, die zum Zwecke der Vermeidung einer strafrechtlichen Verfolgung Altersverifikationssysteme einsetzen, dazu neigen werden, dasjenige mit den geringsten Hürden auch für erwachsene Benutzer zu wählen, ist eine spürbare Beeinträchtigung für solche Mitbewerber, die wie die Beklagte das sogenannte „Postident“-Verfahren einsetzen, zu befürchten, wenn gleichzeitig Systeme mit erheblich geringeren Zugangshürden angeboten werden. Das auf einer persönlichen Kontrolle des Alters durch Postbedienstete beruhende Verfahren wirkt, wie die Beklagte selbst hervorhebt, auf viele erwachsene Benutzer erheblich abschreckender als die bloße Eingabe der Personalausweisnummer und weiterer Daten vom eigenen Computer aus

Was konkret den Versandhandel mit jugendgefährdenden Medien betrifft, hat der BGH schon 2007 in seiner Entscheidung „Jugendgefährdende Medien bei eBay“ (Az. I ZR 18/04)  ebenfalls ausdrücklich die Wettbewerbswidrigkeit bejaht.

Von „Abzocke“ also keine Spur. Wer online Handel mit USK-18-Ware treiben will, muss sich an die Vorgaben des JuSchG halten, auch wenn es ihm (zu) umständlich und teuer erscheinen mag. Rechtstreue Händler haben ein legitimes Interesse, mit Abmahnungen gegen schwarze Schafe vorzugehen.

 


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