Aus aktuellem Anlass mal wieder etwas jenseits des eigentlichen Games-Bereichs:
Ein Travestiekünstler und Geschäftsmann aus Köln sorgt derzeit für Wirbel in der deutschen Twitter-Community: Er soll systematisch besonders beliebte Tweets kopiert und ohne Quellenangabe auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht haben – um damit zumindest indirekt Werbung für sein Bühnenprogramm zu machen.
So sieht das dann regelmäßig aus – ein Beispiel:
Die kritischsten Momente in der Kinderziehung sind die 3 Sekunden, in denen du dich zwischen Moralpredigt und High Five entscheiden musst.
— Patzilla (@PatzillaSaar) February 14, 2014
(Original-Tweet von @PatzillaSaar: https://twitter.com/PatzillaSaar/status/434401367105757184)
Übernahme des Tweets auf der Facebookseite: https://www.facebook.com/Ammelie.MailsKurz/posts/10152008515681313?stream_ref=10
Der ertappte Travestiekünstler sieht sich im Recht. Seine Argumentation: Nach den Twitter-AGB erlauben die User Twitter und anderen Einzelpersonen die kostenlose Nutzung ihrer Tweets ohne dass die Quelle genannt werden müsse.
Sind Tweets damit Allgemeingut und dürfen von jedermann frei genutzt werden? Natürlich nicht.
Tweets und das Urheberrecht
Wann sind also Tweets vom Urheberrecht geschützt? Entscheidend dafür ist die sog. Schöpfungshöhe. Nicht jeder noch so banale Einkaufszettel soll gesetzlich geschützt sein, deshalb verlangt das Urheberrecht eine gewisse kreative Leistung, etwas das sich vom Alltäglichen abhebt.
Ob das der Fall ist hängt vom Einzelfall ab. Bei sehr kurzen, allgemein gehaltenen Texten wird die erforderliche Schöpfungshöhe oft nicht erreicht sein – ein großer Teil aller Tweets ist also sehr wahrscheinlich nicht geschützt.
Allgemein ausgeschlossen ist ein urheberrechtlicher Schutz von Tweets damit aber nicht. Denn auch sehr kurze Texte können durchaus urheberrechtlich geschützt sein, wenn sie die erforderliche Schöpfungshöhe erreichen (so etwa EuGH, Urt. v. 16. Juli 2009 – C-5/08 – Infopaq International; BGH, Urt. v. 1. Dez. 2010 – I ZR 12/08 – Perlentaucher). Und exakt so dürfte es bei den allermeisten von dem Kölner Tweet-Künstler übernommenen Fällen sein. Er hat systematisch besonders kreative Tweets ausgesucht, die Urheberrechtsschutz genießen dürften. Sie mögen -wie der Beispielsfall oben- kein literarisches Meisterwerk sein – das müssen sie aber auch nicht. Urheberrechtlich geschützt sind nicht nur Goethe und Schiller, sondern jede individuelle geistige Leistung in Form eines Werkes. Eine Pointe sprachlich elegant in 140 Zeichen auf den Punkt zu bringen kann durchaus reichen. Am urheberrechtlichen Schutz des o.g. Textes bestehen aus unserer Sicht somit keine Zweifel.
Was im Beispiel zudem für eine Schöpfungshöhe der Tweets spricht: Der Tweet wurde mehr als 1.200 Mal favorisiert – sehr viel für einen Tweet in Deutschland. Das ist ein weiteres starkes Indiz dafür, dass es sich nicht um einen alltäglichen 0815-Spruch handelt, sondern dass er sich deutlich von der Masse absetzt. Und damit ist er bedeutend eher urheberrechtlich geschützt als ein normaler Durchschnittstweet.
Die Twitter-AGB
Nun verteidigt sich der ertappte Künstler mit der Behauptung, die Twitter-AGB würden die Nutzung fremder Tweets erlauben. In den AGB von Twitter heißt es zum Urheberrecht an den Tweets:
Sie behalten die Rechte an allen Inhalten, die Sie über die Dienste übermitteln, veröffentlichen oder anzeigen. Durch Übermittlung, Veröffentlichung oder Anzeigen von In-halten über die Dienste gewähren Sie uns eine weltweite, nicht exklusive, unentgeltliche Lizenz (mit dem Recht zur Unterlizenzierung), diese Inhalte in sämtlichen Medien und über sämtliche Verbreitungswege, die gegenwärtig bekannt sind oder in Zukunft bekannt sein werden, zu verwenden, zu vervielfältigen, zu reproduzieren, zu verarbeiten, anzupassen, abzuändern, zu veröffentlichen, zu übertragen, anzuzeigen und zu verbreiten. […]
Sie bestätigen, dass Twitter mit dieser Lizenz das Recht hat, die Dienste bereitzustellen, zu fördern und zu verbessern und die über die Dienste übermittelten Inhalte gemäß unseren Nutzungsbedingungen anderen Unternehmen, Organisationen oder Einzelpersonen zur Verfügung zu stellen, die mit Twitter zwecks Syndizierung, Übertragung, Verbreitung oder Veröffentlichung dieser Inhalte in anderen Medien und Diensten im Rahmen einer Partnerschaft zusammenarbeiten.“
Twitter erhält also ein einfaches Nutzungsrecht, die Tweets zu nutzen und sie anderen „Unternehmen oder Einzelpersonen“ zur Verfügung zu stellen – allerdings nur solchen, die mit Twitter „im Rahmen einer Partnerschaft zusammenarbeiten“. Letzteres ist bei dem Twitter-Künstler offensichtlich nicht der Fall.
Das bedeutet: Twitter darf seinen Partnern Unterlizenzen an Tweets und anderen Inhalten einräumen. Aus den AGB lässt sich aber nicht ableiten, dass jedermann Tweets nach Belieben kopieren und verbreiten darf.
Exkurs: Etwas anderes kann für Retweets gelten. Zwar übernimmt man auch dabei fremde Tweets, allerdings ist die Funktion bei Twitter explizit vorgesehen und seit Jahren üblich. Solche üblichen Nutzungshandlungen muss der Urheber in der Regel hinnehmen (BGH, 29. Apr. 2010 – I ZR 69/08 – Vorschaubilder). Inwiefern das auch für das Einbetten von Tweets gilt, ist derzeit schwer abzusehen.
Festzuhalten bleibt jedenfalls: Wenn Tweets urheberrechtlich geschützt sind, erlauben die Twitter-AGB keineswegs, dass sie jedermann kopieren und benutzen darf.
Urheberpersönlichkeitsrechte
Hinzu kommt noch ein weiteres Argument: Das Urheberpersönlichkeitsrecht. Die Bloggerin „thatgirlthere“ schreibt, sie fühle sich, als sei ihr ihr Tweet durch die ungefragte Übernahme ohne Quellenangabe „entrissen“ worden. Das mag etwas pathetisch klingen, ist aber genau so im Urheberrecht vorgesehen.
Das Gesetz geht von der etwas romantischen Vorstellung aus, dass ein Urheber eine persönliche Beziehung zu seinem Werk hat. Dementsprechend hat jeder Urheber sog. Urheberpersönlichkeitsrechte. Und dazu gehört auch, dass jeder Urheber das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft hat, § 13 UrhG. Dieses Recht kann nicht abgetreten oder verkauft werden und auch ein pauschaler Verzicht ist nur in engen Grenzen möglich.
Das bedeutet: Selbst wenn die Twitter-AGB eine freie Nutzung von Tweets erlauben würden – der Autor müsste in jedem Fall genannt werden. Wird er das nicht, kann schon das eine Urheberrechtsverletzung darstellen.
Fazit und Siegerehrung:
Tweets sind ein urheberrechtlicher Grenzfall, können aber durchaus geschützt sein. Ob und wann das der Fall ist, hängt vom Einzelfall an. Als Faustformel kann man aber sagen: Je kreativer und ausgefallener ein Tweet, desto eher ist er urheberrechtlich geschützt. Wenn – wie hier – vor allem besonders populäre Tweets übernommen werden, ist das ein starkes Indiz dafür, dass die Tweets besonders originell und damit urheberrechtlich geschützt sind.
Wer solche Tweets ungefragt und obendrein noch ohne Quellenangabe übernimmt, begeht eine Urheberrechtsverletzung. Die AGB von Twitter erlauben jedenfalls nicht die Übernahme durch Dritte, die nicht von Twitter autorisiert sind.
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